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Kommentar Bundespräsidenten-RedeLauwarme Rede, richtige Idee

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Erkenntnis, dass Deutschland viel weiter ist, als es die Sarrazin-Debatte vermuten lässt, ist kein intellektuelles Glanzlicht. Aber es ist nötig, dies zu sagen.

W ichtige Reden von wichtigen Repräsentanten zu wichtigen Anlässen sind selten intellektuelle Feuerwerke. Stets muss der Konsens beachtet, die Balance gewahrt werden. Das Wohltemperierte, ja Langweilige gehört zu diesem Genre. Um als gelungen zu gelten, muss die Rede gleichwohl eine eigene Handschrift haben.

Unter dieser Maßgabe war Christians Wulffs Rede zur deutschen Einheit - gelungen. Lauwarm, aber in Nuancen deutlich. Im Rückblick auf 1990 verkleinerte Christdemokrat Wulff Helmut Kohl zu einer Figur unter vielen. Dafür rückten die Verlusterfahrungen der Ostdeutschen in den Blick. Bloß kein Triumphalismus, dafür ein weiter, verständiger Blick, so das Motto. Auch die linksliberale Skepsis der Nation gegenüber 1989 erschien hier verständlich. Auf Nachsiegen wurde erfreulicherweise verzichtet. Mag sein, dass solche Großmut beim Thema Vereinigung billiger zu haben ist. Man schaut nach 20 Jahren ja vom glücklichen Ende auf das Vergangene.

Beim Thema Integration, das Wulff zum Markenkern seiner Präsidentschaft machen will, liegen die Dinge ähnlich. Die Richtung der Rede stimmt, jedenfalls ungefähr. Die Erkenntnis, dass Deutschland viel weiter ist, als es die Sarrazin-Debatte vermuten lässt, ist kein intellektuelles Glanzlicht.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Berliner Parlamentsbüro der taz.

Aber es ist nötig, dies zu sagen, gerade von konservativer Seite aus. Von Wulff ist kein hemdsärmeliges Politikbashing à la Horst Köhler zu erwarten. Das ist, beim Thema Migration, durchaus beruhigend.

Manches würde man allerdings gerne genauer wissen. Etwa wo bei Integationsdebatten die Grenze zwischen Rassistischem und Erlaubtem verläuft. Das ist ungesichertes Terrain. Wenn Wulff Migration als Thema ernst nimmt, wird er es nicht bei vagen Andeutungen belassen können.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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6 Kommentare

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  • R
    Rafael

    Wie vielleicht die TAZ Redakteure, so denke ich auch über eine sinnvolle und vor allem nachhaltige Integration ausländischer Mitbürger nach. Eine Schlüssel ist vor allem die Bildung, aber hier sage ich wohl nichts neues.

     

    Nachdenken sollten die TAZ Redakteure aber vor allem darüber, dass klerikale Gruppen (ich sage das so wertneutral wie es nur geht) meist nicht gerade zu den Linken oder neutraler, besonders Aufgeklärten gehören.

     

    Wenn sich eine Frau das streng gebundene Kopftuch umlegt, so scheint es mir, dass sie jetzt nicht gerade zu Hause die sozialistische Internationale intoniert, sondern scheint eher als besonders klerikale, sehr wertkonservative Person mit recht konservativen Ansichten zu sein, bei der die Familie und Glauben vorderrangig sind.

     

    So einfach mal nachdenken darüber.

     

    Möchte denn so eine Frau gesellschaftlichen Fortschritt. Möchte sie Gleichheit? Gleichheit der Geschlechter? Bevorzugt diese Frau vielleicht einen klerikal geprägtes Staatswesen?

     

     

    Frage an die Redakteure der TAZ: Setzen sie sich hier nicht für das ein was diese Gruppe eigentlich in einigen Teilen ablehnt.

     

    Nur eine Frage eines ganz normalen Idioten. Vielleicht liege ich ja gänzlich Falsch?

     

    A Propos, Andere ohne Kopftuch müssen auch 60 und mehr Bewerbungen schreiben

  • SB
    Sabine Bauer

    Gerade beim Thema Kopftuch sind wir in der Debatte noch längst nicht so weit wie es gut wäre. Von daher widerspreche ich dem Bundespräsidenten etwas, wenn auch sein Ansatz durchaus vielversprechend klingt:

    http://bit.ly/akfo5r

  • H
    Helmut

    Ich stimme zu das die Rede vom Bundespräsidenten ein Schritt in die richtige Richtung gewesen ist. Doch das Problem ist das die Mehrheit der Bürger das nicht versteht. Die Situation wird, leider, von einigen Medien, wie der Bild Zeitung, noch schlimmer gemacht. Herr Wulff hat eine wichtigen Aspekt angesprochen, und das sind die Fehler die der deutsche Staat gemacht hat, weil es zu spät gemerkt hat das es ein Einwanderungsland ist. Die Fehler sind sowohl bei den Migranten als auch bei der Politik zu suchen. Man muss sich die Frage stellen wie hat Deutschland dazu beigetragen das sich die Einwanderer integrieren. Und oft vergisst man das es eigentlich mehr positive Beispiele der Intergration gibt, als negative, aber diese Fakten werden nur am Rande erwähnt.

  • IB
    Iris Becker

    Dass Unterwerfung zu Deutschland gehört, ist sachlich richtig und historisch belegbar, besonders zeitgeschichtlich. Die Stuttgart-21-Proteste bestätigen als Ausnahme die Regel. Für Wulff ist die Regel, sich zu unterwerfen. Als Kathole hat er nichts anderes gelernt. Drum gefällt es ihm, wenn sich Zuwanderer in arabischer Sprache unterwerfen, was dort islamisieren heißt. Was an Wulffs Ausführungen aus Sicht der taz eine "richtige Idee" sein soll, habe ich aber nicht so richtig verstanden.

  • SR
    Sarah Riviere

    Integration in Deutschland ist doch nicht so weit - schauen Sie bitte die Bezirksamtern an!

     

     

    Ich  bin Englanderin, und wohne seit 11 Jahren in Berlin. 

     

    Ich möchte meine Geschichte über  Integration in Deutschland Ihnen mitteilen. Im Jahr 2000 bin ich aus London Brixton nach Berlin Kreuzberg umgezogen. Beide sind Bezirke mit vielen Bewohnern mit Migrationshintergrund. 

     

    Ich war beim Bezirksamt Brixton in London,  bevor ich nach Deutschland abgereist bin. Im Wartezimmer saß ich zusammen mit meistens schwarzen Frauen und Männer bis ich daran käme. Als ich zum Beamter gerufen wurde, ist es mir aufgefallen dass alle Beamter (meisten Frauen) Schwarz waren. Sie waren freundlich, hilfsbereit, und die meisten von denen könnten neben Englisch eine zweite Sprache um Besucher mit begrenzten Englischkentnisse helfen zu können. Man hatte das Gefühl das die Leute aus dem Bezirk auch Beamtenstellen im Bezirk halten durften, um in der eigene Gemeinde Anderen helfen zu können.  

     

    In Berlin angekommen, musste ich auch zum Bezirksamt gehen. Das Wartezimmer war voller Leute, es war eine Bunte Mischung, auch mit vielen Leuten mit Migrationshintergrund. Als ich zum Beamter-raum gerufen war, sah ich ganz Überrascht dass alle Beamte, ohne Ausnahme (es waren c.8 in dem Raum) weisse Männer waren, zwischen 45 - 55 Jahre Alt. Die Beamter auf der eine Seite alle Tische waren weisser Männer, die Leute aus dem Bezirk saßen denen gegenüber, meistens Leuten mit Migrationshintergrund. (Übrigens, ich würde auch mit den Worten "Dass geht aber nicht!" vom Beamter begrüßt, weil man dufte nur allein eintreten, und ich wurde von meinen Mann begleitet)  

     

    Ich hoffe dass in der Zukunft in Deutschland eine bessere Integrationpolitik helfen könnte diese überraschende Situation in den Bezirksamten zu ändern. Es soll bitte sein dass dass die Bewohner eines Bezirkes richtig repräsentiert sind bei deren eigenen Bezirksamt. 

  • F
    freidenker

    Also ich hab die Rede nicht gehört, aber ich weiß, daß ich jetzt noch feuchte Augen hätte.