Kommentar Bürgerbeteiligung: Mitreden – mehr aber auch nicht
Nicht nur Bürgerinitiativen fordern Bürgerbeteiligung bei Bauvorhaben, auch Unternehmer tun dies. Aber nur, um die Debatte zu bestimmen.
W eil Politiker, Verwaltungsbeamte und Unternehmer bei ihren renditeträchtigen Bauvorhaben immer mehr den Zorn der Straße zu spüren bekommen, sind sie derzeit gewaltig in Erklärungsnot. Das ist der Grund, weshalb längst nicht mehr nur Bürgerinitiativen, sondern auch Unternehmen und Institutionen über bessere Bürgerbeteiligung sprechen.
"Wir müssen die Bürger ernst nehmen", rufen sie. Aber sie denken: "Na ja, wir müssen zumindest so tun."
Nicht alles, was sich nach Bürgerbeteiligung anhört, verspricht jedoch auch, Bürgerbeteiligung zu sein. Die oft gelobten "Bürgerhaushalte", bei denen die Menschen über die Ausgaben ihrer Stadt mitbestimmen durften, waren vor allem geeignet, um die dauernden Kürzungen in öffentlichen Haushalten zu legitimieren.
Von Unternehmen wird der Ruf nach mehr Mitsprache heute so offensiv geführt, weil es die einzige Möglichkeit ist, die Debatte zu bestimmen. Denn wer mehr "Mitverantwortung" fordert, sagt nur: Die Menschen haben die Pflicht, sich einzubringen. Deshalb hat die Repräsentativdemokratie ja noch lange nicht die Pflicht, das zu berücksichtigen.
Die Berliner Konferenz zur "bürgerschaftlichen Mitverantwortung" ist ein gutes Beispiel: Auf den Podien sitzen massenhaft Unternehmer, Politiker und Bürokraten. Wer auch ein Exemplar jenes gefürchteten "Wutbürgers" sucht, sucht vergeblich. Das steht für Scheindialog statt Dialog.
So wie die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" einst angetreten war, um soziale Marktwirtschaft zu predigen und Neoliberalismus zu meinen, so werben heute Unternehmer für mehr Mitsprache. Die richtige Antwort auf fehlende politische Akzeptanz ist jedoch nicht das Reden, sondern die Entscheidung. Dazu nützen den Bürgern nur Entscheidungsspielräume. Und sonst gar nichts.
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