Kommentar Bürgerbeteiligung bei Großprojekten: Mehr als nur Wunschzettel
Es muss möglich sein, die Handlungsoptionen infrage zu stellen, wenn der Dialog mit den Bürgern keine Pseudoveranstaltung sein soll.
N ein, das stimmt nicht. Das Dialogforum zum Bau der Fehmarnbelt-Querung ist keineswegs der Ausbund an Bürgerfreundlichkeit, zu dem norddeutsche Politiker es jetzt erklären wollen. Denn dieser Dialog hat einen Geburtsfehler: Es geht dort nur um das Wie, nicht um das Ob. Kürzlich wurde in Hamburg durch einen runden Tisch ein Zaun unter einer Brücke wieder entfernt: Das ist vorbildlich.
Dennoch ist es richtig, die Lehren aus Stuttgart 21 nun auf andere große Infrastrukturprojekte zu übertragen. Wenn es aber nur darum geht, Beschlossenes verdaulich zu machen, wird dieses Instrument keine große Zukunft haben. Denn auf Dauer werden Betroffene sich nicht damit zufriedengeben, Lärmschutzwände an Autobahnen grün anzustreichen.
Allerdings würde nach dem Prinzip des St. Florian immer alles überall verhindert. Und bekanntlich sollte nicht mit den Fischen diskutieren, wer angeln möchte. Dennoch muss es möglich sein, die Handlungsoptionen infrage zu stellen, wenn der Dialog mit den Bürgern keine Pseudoveranstaltung sein soll.
Und das bedeutet, dass Bürgerbeteiligung schon vor der ersten Grundsatzentscheidung für ein Projekt erfolgen muss. Und sie darf sich nicht im Ausfüllen von Wunschzetteln erschöpfen, sie braucht einen rechtlich verbindlichen Rahmen.
Denn Akzeptanz kann weder verordnet noch hergestellt werden. Sie muss wachsen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen