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Kommentar Bsirske ContraKnicks vorm Boulevard

Kommentar von Stephan Kosch

Sollte der Verdi-Chef sich für sein Bonusfliegen entschuldigen? Nein!

Bild: taz

Stephan Kosch ist stellvertretender Leiter des taz-Ressorts Wirtschaft und Umwelt

Frank Bsirske hat einen Fehler gemacht - nicht weil er als Aufsichtsrat der Lufthansa wie alle anderen auch kostenlos mit der Airline geflogen ist - sondern weil er jetzt einknickt.

Zwar lässt sich dieses Privileg der Aufsichtsräte natürlich grundsätzlich in Frage stellen. Wenn aber eine solche Freiflugregelung für alle Mitglieder des Kontrollgremiums gilt, gibt es auch für einen Gewerkschaftsvorsitzenden keinen Grund, sie nicht anzunehmen. Anders als das durchaus üppige Salär eines Aufsichtsrats, kann das Privileg, kostenlos zu fliegen, nicht an die Gewerkschaftskasse weitergeleitet werden. Bsirske hat recht, wenn er darauf hinweist, dass derzeit mit zweierlei Maß gemessen wird.

Warum aber beugt er sich dann just dieser Doppelmoral? Warum räumt er gegenüber Bild ein, dass er die Brisanz des Themas unterschätzt habe, und zahlt im Nachhinein seinen Flug? Bsirske will den Boulevard beruhigen und das Thema vom Tisch haben. Damit katapultiert er sich aber nicht wirklich aus der Schusslinie. Dafür nämlich müsste er konsequenterweise alle Flüge nachträglich bezahlen, die er seit seiner Zeit als Aufsichtsrat kostenfrei in Anspruch genommen hat.

Auf die durchaus nachvollziehbare Kritik, dass ein Gewerkschaftsboss während eines Streiks bei seinen Leuten an der Basis und nicht unter Südseepalmen sein sollte, reagiert Bsirske mit seiner Nachzahlung auch nicht. Dabei könnte er entgegnen, dass er als Lufthansa-Aufsichtsrat auch dem Wohle des Unternehmens verpflichtet und die Doppelrolle während eines Arbeitskampfes problematisch sei. Ein Urlaub ist nicht die dümmste Möglichkeit, diesem Problem zu entgehen.

Wäre Bsirske mit der Bahn an die Ostsee gefahren, wäre das wohl keine Schlagzeile wert gewesen. Und ein Platz in der Economy-Klasse hätte auch kein Neidgefühl hervorgerufen.

So bedient die Debatte aber das ewige Klischee vom Emporkömmling, der in der großen weiten Welt des Kapitals die Bodenhaftung verliert und seine Herkunft verrät. Das verfestigt psychologische Klassengrenzen. Und Bsirskes seltsame Entschuldigung, die keine ist, hilft nicht wirklich, sie zu überwinden. STEPHAN KOSCH

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