Kommentar: Boehringer-Sanierung in Hamburg: Der Skandal hinter der Sensation
Was die Stadt und der Chemiekonzern als sensationellen Durchbruch feiern, hätte eigentlich selbstverständlich zu sein.
M ehr als 30 Jahre hat es gedauert. Jetzt konnte Hamburgs Umweltbehörde verkünden, dass sie das von Boehringer-Ingelheim vor Jahrzehnten vergiftete Moorfleeter Grundwasser jetzt effektiv reinigen will. Dass sich der Chemiekonzern und die Umweltverbände plötzlich richtig lieb haben, dass das jetzt beschlossene Altlasten-Konzept gleich als Vorbild für ganz Deutschland angepriesen wird, zeigt: Hier wurde ein Durchbruch geschafft - aber einer mit erheblichem Schönheitsfehler.
Kein Zweifel: Es ist gut, dass Boehringer jetzt endlich handelt und noch einmal Millionen in die Hand nimmt. Aber was da als sensationelle Neuigkeit daherkommen will, ist eigentlich pure Selbstverständlichkeit: Ein Unternehmen, das jahrelang mit einer Produktion viel Geld verdient hat, die seine Mitarbeiter vergiftet und die Umwelt verseucht hat, macht einen Teil des Drecks wieder weg. Während es aber noch viele Jahrzehnte dauern wird, bis das Gift aus dem Grundwasser verschwunden ist, werden davon die an Krebs erkrankten und gestorbenen Boehringer-Arbeiter nicht wieder lebendig.
So verbirgt sich in der Erfolgsmeldung ein Skandal. Der liegt darin, dass Boehringer die jetzt beginnende Grundwassersanierung ganz freiwillig finanziert. Nach Recht und Gesetz ist der Konzern dazu nicht mehr verpflichtet, ohne seinen guten Willen müsste die Allgemeinheit zahlen - oder schlicht leben mit dem Gift im Boden.
Das wirft ein denkbar schlechtes Licht auf das deutsche Umwelt- und Haftungsrecht. Wer den Dreck macht, muss ihn auch beseitigen? Davon sind wir weit entfernt, wenn es um große und kleine Chemieklitschen geht.
Die gute Nachricht an der Moorfleet-Sanierung ist da, dass es auch anders geht. Die schlechte aber gibt ea auch: Das Verursacher-Prinzip ist auch weiterhin die Ausnahme.
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