Kommentar Blockupy: Behörden sorgen für Bambule
In Frankfurt führen die Behörden de facto ein Notstandsrecht aus. Dafür gibt es aber keine Grundlage. Ein waschechter Skandal, der Konsequenzen haben muss.
B unte Demonstrationen, friedliche Sitzblockaden, Treueschwüre auf das Grundgesetz: In der Mainmetropole ist bislang viel passiert, aber alles anders gekommen als es die Stadt prophezeit hatte. Randale und Bambule wie in Griechenland hatte die Frankfurter Polizei heraufbeschworen und mit dieser Begründung massiv in das Recht auf Versammlungsfreiheit eingegriffen. Wenn alles so friedlich bleibt wie bisher, dann ist das ein waschechter Skandal.
Mit etlichen Maßnahmen führen die Frankfurter Behörden derzeit de facto ein Notstandsrecht aus, für das sie keine Grundlage haben. Ein mehrtägiges Demonstrationsverbot für das Blockupy-Bündnis – richterlich bestätigt - weitet die Polizei pauschal auf sämtliche Gruppen aus, die in diesen Tagen in Frankfurt ihre Meinung kund tun wollen.
Man muss den Unterschied begreifen: Demonstrationen können nur konkret und individuell begründet verboten werden. Im Grundgesetz heißt es: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“
ist taz-Redakteur für soziale Bewegungen und twittert unter @martinkaul.
Ein generelles Demonstrationsverbot bedürfte einer Allgemeinverfügung. So etwas gibt es bei Castortransporten. Dort gilt sie für einen Radius von 50 Metern links und rechts der Atomtransportstrecke, um unmittelbare Gefahr für Leib und Leben zu vermeiden. In Frankfurt werden ohne eine solche Grundlage Grundrechte in der gesamten Innenstadt verwehrt. Als das Grundrechtekomittee am Donnerstag genau dagegen demonstrieren wollte, wurde auch dies untersagt.
Mehr noch: Auch nachdem die Stadt zunächst über 400 Menschen Aufenthaltsverbote für die gesamte Innenstadt ausgestellt hatte und diese umgehend für rechtswidrig befunden wurden, erteilte sie am Donnerstag Anreisenden bereits auf der Autobahn weitere Aufenthaltsverbote, die teils bis zum Sonntag gültig sein sollen – obwohl am Samstag eine richterlich erlaubte Demonstration stattfindet. In Frankfurt muss das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nun erkämpft werden.
Eines gehört jedoch auch zu diesem Kampf: Er muss weiter so konsequent friedlich bleiben wie bisher. Wenn jetzt die Demonstranten durchdrehen, gilt alles, was hier bislang steht, nicht mehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers