Kommentar Besteuerung von Tagesmüttern: Tagesmütter werden ausgebeutet
Ein Niedriglohn verrät stets, wie eine Gesellschaft über die betroffene Berufsgruppe denkt: Tagesmütter werden offenbar schon fast verachtet. Das ist sehr seltsam.
Die Betreuung von Kleinkindern durch Tagesmütter könnte bald zum Ehrenamt werden - oder mangels Altruismus eingeschränkt werden: Die Mehrheit der Tagesmütter in der Bundesrepublik verdient weniger als drei Euro pro Stunde, und ab 2009 kommen noch höhere Belastungen auf sie zu. Denn künftig sollen auch jene "Tagespflegepersonen" in die Krankenkassen einzahlen, die bei den Kommunen registriert sind und von dort die Kinder zugewiesen bekommen. Bisher waren diese Frauen meist über ihre Männer kostenlos versichert.
Zunächst einmal erscheint es richtig, dass Tagesmütter sich selbst versichern müssen - schließlich gilt dies auch für alle anderen Erwerbstätigen. Es ist nicht einzusehen, warum ausgerechnet Tagesmütter von den anderen Kassenmitgliedern subventioniert werden sollen. Doch kaum handelt die Bundesregierung einmal konsequent, zeigt sich auch schon das Hauptproblem an dem ehrgeizigen Plan von Familienministerin von der Leyen, die Kinderbetreuung bis 2013 massiv auszubauen: Dieses Vorhaben ist desaströs unterfinanziert. Wer will schon Tagesmutter bleiben - oder werden -, wenn der Stundenlohn bei 3 Euro liegt.
Der Ausbau der Kinderbetreuung wird von der Ministerin als Emanzipationsgewinn für die Mütter verkauft, die ihren Nachwuchs gut versorgt wissen wollen und nun erwerbstätig werden können. Doch die Art, wie diese Entlastung für die Eltern organisiert wird, zeigt, dass in Wahrheit immer noch ein traditionelles Frauenbild vorherrscht: Für einen Niedriglohn kann eine Tagesmutter nur arbeiten, wenn sie im Hintergrund über einen besserverdienenden Ehemann verfügt.
Ein Niedriglohn verrät stets, wie eine Gesellschaft über die betroffene Berufsgruppe denkt: Tagesmütter werden offenbar schon fast verachtet. Das ist sehr seltsam, wenn doch Politik und Eltern gleichzeitig so bereit sind, ihnen den Nachwuchs anzuvertrauen. Die Forderung des Bundesverbands für Kindertagespflege von 5,50 Euro ist ohnehin ein Minimalwunsch. Das müsste drin sein. NICOLE JANZ
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