Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass das Umfeld den Charakter beeinflusst, dann sind dieser Kommentar von Frau Kappert und der dazu gehörige Artikel von Herrn Bollmann die Paradebeispiele. Die Nachbarschaft des Axel-Springer-Verlages mit seinen hervorragenden journalistischen Produkten färbt ab. Der Artikel unkritisch bis devot, der Kommentar entweder eine Bewerbung für die andere Straßenseite oder als Pressesprecherin des alten und neuen Bundeshorstes.
Wie ist es sonst möglich, für diesen Schmonzes, denn der Herr da von sich gegeben hat, folgende Beschreibung auf das Papier zu bringen: „Zu erleben war am Dienstag die Wandlung Köhlers vom Anti-Politiker zum Anti-Manager“. Köhler ein Anti!! Ich fass es nicht. Wenn in diesem Land einer Pro ist, dann der. Diesen Auftritt dann auch noch als „letzte große Rede“ dieses Herren, den man zum Präsidenten dieses Landes gemacht hat, zu bezeichnen, das hat schon Geschmack.
Nein, diese Rede erinnerte mich fatal an die Rede des scheidenden Präsidenten der Weltbank, Robert McNamara, im Jahr 1981. Der gleiche Robert McNamara, der als US-Verteidigungsminister den Vietnamkrieg für gewinnbar hielt; der gleiche, der mit seinem Body-Count anhand der Zahl der Toten Vietnamesen den Erfolg seiner Napalmpolitik rechtfertigte; der gleiche Robert McNamara, der in seiner Zeit als Präsident der Weltbank die die Verschuldung der Länder der sog. Dritten Welt auf damals unvorstellbare Höhen jagte, der heulte bei seiner Abschiedsrede wie ein Schlosshund ob der ungeheuren Armut und des schreienden Elends in der Welt. Ja, später verstieg er sich noch zu einer solchen Aussage: „Wir haben uns schrecklich geirrt ... amerikanische Sprühaktionen (mit Agent Orange R.G.) haben zu keiner Zeit zu irgendeiner tatsächlichen und dauerhaften Sicherheit Südvietnams geführt ..“ Vom Saulus zum Paulus.
Die Rede Köhlers reiht sich ein in das elendige Geschwätz, was wir seit Jahren aus dem Mund dieser uns regierenden Poliktikerkaste zu hören bekommen. Sei es diese sog. Ruckrede seines Vorgängers, die Neujahrsansprachen der Frau Kanzlerin oder seiner eigenen Reden, wie die vor dem Arbeitgeberforum "Wirtschaft und Gesellschaft" am 15.März 2005. Wieder dieses unverschämte „Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt“. Und die „Tageszeitung“? Nichts, kein Wort über diese Unverschämtheit. Wie schon anlässlich der Neujahrsansprache 2009 der Frau Kanzlerin, bei der Frau Kanzlerin genau diesen Satz erstmalig gebrauchte. Nein, die TAZ schweigt oder hofiert.
Und dann noch der Kommentar. „Diese Rede sei bemerkenswert“, schreibt Frau Kappert. „Denn seine Wortwahl annonciert: Wer weiter propagiert, Wachstum sei über die Fütterung der Happy Few zu erreichen, ist nicht mehr konsensfähig“. Allein diese Formulierung ist eines Franz Josef Wagner von gegenüber würdig. Aber was dann folgt erst recht. „Sein Mea Culpa autorisiert die Basis, wieder Forderungen an den Staat als Institution der Umverteilung zu stellen“. Autorisiert?? Autorisiert heißt berechtigen. Wir, die Basis dieser Gesellschaft, sind b e r c h t i g t? Berechtigt, wieder Forderungen zu stellen. Wäre die Basis ohne das „Mea Culpa“ nicht berechtigt? Welcher Großmut des Herren Bundespräsidenten. Erst jetzt ist das Volk berechtigt, nach seinem großmütigen Eingeständnis der Fehlbarkeit, Forderungen an den Staat, also an uns selbst, zu stellen. Vorher nicht? Diese Formulierungen sind einer angehenden Hofschranze würdig, aber einer Redakteurin der TAZ?
Der Niedergang der TAZ ist unaufhaltsam. Was zu beweisen war.
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