Kommentar Berliner Justiz-Rambo: Selbstjustiz in schwarzer Robe

"Deutschlands mutigster Staatsanwalt" wird zu Recht versetzt. Er hat sich gezielt über das Recht hinweggesetzt.

Jugendkriminalität ist schlimm, die Gesellschaft muss sich dagegen wehren. Doch wenn sich ein Staatsanwalt nicht mehr an die eigenen Gesetze und Grundrechte hält, ist das für ein Gemeinwesen schlimmer. Deshalb ist es richtig, dass die Berliner Justizsenatorin den Justiz-Rambo Roman Reusch in die Schranken weist - und ihn jetzt versetzt.

Von der Boulevardpresse wurde Reusch als "mutigster Staatsanwalt Deutschlands" gefeiert, weil er die "Untersuchungshaft als Erziehungsmittel" propagiert. Diese ist aber nur zur Sicherung der Gerichtsverhandlung zulässig - also bei Flucht- und Verdunkelungsgefahr und in bestimmten Fällen bei Wiederholungsgefahr. U-Haft ohne gesetzliche Grundlage ist Freiheitsberaubung. Wenn ein Staatsanwalt gezielt darauf hinarbeitet, läuft das auf Rechtsbeugung hinaus.

Reusch konterte diesen Vorwurf stets augenzwinkernd, die Justiz bewege sich "immer im Rahmen des geltenden Haftrechts". Aber das klang, wie wenn der Schwarzfahrer in der U-Bahn erklärt, dass er die Beförderungsbedingungen selbstverständlich anerkenne. Wenn sich Staatsanwälte gezielt über ein Gesetz hinwegsetzen, weil sie es als zu lasch empfinden, dann ist das nichts anderes als Selbstjustiz in schwarzer Robe. Und wenn Reusch den - hoffentlich falschen - Eindruck erweckt, das sei "weit verbreitete Praxis in Deutschland", gefährdet er auch das Vertrauen in die Gerichte.

"Wer einmal in Untersuchungshaft saß, macht nicht mehr den dicken Max", lautete das Credo von Reusch. Die Gefängnisse sind voll von Gegenbeispielen. Serkan A., einer der beiden Münchener U-Bahn-Schläger, saß wegen einer anderen Sache sechs Monate in U-Haft. Reuschs Rezepte sind also nicht nur ungesetzlich. Sie sind auch falsch.

Letztlich landet er deshalb stets bei der Ausweisung ausländischer Straftäter: "Wir sollten alles tun, um diese Kriminalität von hier wieder zu entfernen", sagte er im Interview. Schon die Sprache ist verräterisch: Von Menschen ist nicht mehr die Rede. So ein Staatsanwalt bietet nicht die Gewähr, dass er Verdächtige unabhängig von Pass und Hautfarbe gleich behandelt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.