Kommentar Berliner Grüne: Zeit zum Streiten
Jetzt, da auf Jahre keine grüne Regierungsverantwortung droht, ist der perfekte Zeitpunkt, die Auseinandersetzung zwischen den Flügeln endlich offen zu führen.
S chlimmer hätte es kaum kommen können für die Bundespolitikerin Renate Künast: Als Bürgermeisterkandidatin für Berlin war sie gestartet, und am Ende ging es nur noch darum, anständig zu verlieren, damit die Grünen-Fraktionschefin sich wieder in die Bundespolitik verabschieden kann. Jetzt rechnen ausgerechnet ihre Realo-Parteikollegen mit ihr und ihrer Wahlkampftaktik ab - und Künast muss um ihre bundespolitische Karriere bangen.
Den Berliner Grünen selbst geht es auch nicht besser: Sie werden jetzt nicht mal Juniorpartner der SPD. Und statt eine All-Star-Opposition mit Linkspartei und Piraten zu organisieren, eskaliert der Konflikt zwischen Fundis und Realos.
Nachdem die Parteilinke mit ihrer Kampfkandidatur für die Doppel-Fraktionsspitze abblitzte, zogen sich ihre Strategen schmollend zurück und kündigten an, künftig eigene Anträge im Parlament zu stellen. Und die Realos, deren Wortführer Volker Ratzmann nach dem knappen Sieg bei der Wahl der Fraktionschefs selbst angeschlagen ist, reden nicht mehr mit einzelnen Fundis - weil sie den Konflikt in der großen Runde austragen wollen. Etwa in der ersten Fraktionssitzung nach dem Big Bang.
BERT SCHULZ ist Redakteur in der Berliner Lokalredaktion der taz.
Der Grünen-interne Streit ist prinzipiell nichts Neues. Ratzmann hatte schon in der vergangenen Legislaturperiode nie viel mehr als die Hälfte der Abgeordneten hinter sich. Trotzdem ist die jetzt wieder laut werdende Forderung, er solle Platz für einen Konsenskandidaten machen, kontraproduktiv. Denn jetzt, da auf Jahre keine grüne Regierungsverantwortung droht, ist der perfekte Zeitpunkt, diese Auseinandersetzung - etwa das Verhältnis zu linken Gruppen - endlich offen zu führen. Dafür aber braucht es die Protagonisten - also auch Ratzmann.
Das heißt nicht, dass die Krise der Berliner Grünen damit beendet sein muss. Aber inhaltlich würde die Debatte Partei und Fraktion voranbringen. Also: Streitet euch!
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