Kommentar Ballack: Machtkampf ausgesessen
Löws Verzögerungs-Taktik ist aufgegangen. Denn hätte er früher in der Causa Ballack entschieden, wäre es nur darum gegangen, wer der bessere Kapitän ist.
M ichael Ballack ist raus. Joachim Löw will ihn nicht mehr. Eigentlich wollte er ihn schon länger nicht mehr. Löw hat auf Zeit gespielt und gewonnen. Er hat das Problem einfach ausgesessen.
Anstatt schon nach der WM in Südafrika klipp und klar zu sagen, was Sache ist, hat er kunstvoll diplomatisch gezögert und das Unabwendbare spät verkündet. Löws Taktik ist aufgegangen.
Nach Ballacks Knöchelverletzung und dem darauf folgenden WM-Aus diskutierte die Öffentlichkeit noch eine Weile, ob Ballack verzichtbar und wer denn nun der "echte" Kapitän sei, Ballack oder Philipp Lahm. Doch je mehr Zeit verging, desto blutärmer wurde die Debatte und desto klarer wurde: Der Capitano wird nicht mehr gebraucht. Aus mehreren Gründen: Weil es junge, leistungsstarke und unkomplizierte Spieler auf seiner Position gibt. Weil Ballack zu lange brauchte, um wieder in Form zu kommen. Weil Ballacks Vereinstrainer Jupp Heynckes zuerst auch so wenig wissen wollte von ihm wie jetzt Löw. Und weil Löw mit der Ausbootung Ballacks einen teaminternen Konflikt löst.
MARKUS VÖLKER ist Redakteur im Sport-Ressort der taz.
Unterm Kapitän hätte er es nicht gemacht
Wäre Ballack zurückgekommen, dann nur mit den Befugnissen eines Kapitäns. Unter dem hätte er's nicht gemacht. Aber einen Machtkampf in einer Mannschaft, die nahezu reibungslos zu funktionieren scheint, braucht Löw so dringend wie ein 0:5 im kommenden Länderspiel gegen Brasilien. Die Verdienste von Ballack mögen groß sein, eine Garantie zum Mitspielen hat er deswegen noch lange nicht. So sentimental ist der Fußball nicht.
Ein Abschiedsspiel hat ihm der DFB jetzt noch gönnerhaft offeriert, doch wie es scheint, will Ballack nicht mit scheinheiliger Geste verabschiedet werden. Das spricht nicht unbedingt für eine gütliche Einigung, auch wenn Löw glauben machen will, Ballack hätte Verständnis geäußert für seine Entscheidung. Ein Spieler vom Format eines Michael Ballack wäre gern nach einem WM-Finale auf dem Gipfel seiner Karriere abgetreten.
Aber jetzt wird Ballack irgendwie ungut heraus komplimentiert aus der Nationalelf. Intern gilt er als Störfaktor und alter Mann. Löw ist schlau genug, den Abgang Ballacks als Umbruch umzudeuten: Die Jungen haben das Sagen auf dem Platz, endgültig. Die Hierarchie ist klar.
Und Ballack? Der steht auf dem Abstellgleis. Verständlich, dass er jetzt schmollt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?