Kommentar Autobrände: Sie wissen nichts, was nun?
Das einzig definitiv Politische im Zusammenhang mit den Autobrandstiftungen ist die "politisch motiviert"-Quote. Mit ihr wird Politik gemacht.
N ur ein Viertel aller Autobrandstiftung geht auf das Konto von politisch motivierten Tätern. Das hat der scheidende Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Donnerstag verkündet. Bisher hatte es nahezu als Fakt gegolten, dass etwa die Häfte aller Brandstiftungen irgendwie politisch begründet sein sollte. Gibt es also einen neuen Trend in Brandstifterszene? Selbstverständlich nicht.
Die alte wie die neue Zahl belegt vor allem eines: Polizei und Politik wissen bis heute so gut wie nichts über die Masse der Brandstifter. Und somit erst rechts nichts über deren Motivation. Daran ändert auch der unzweifelhafte Fahndungserfolg der Polizei nichts. Zwar konnte sie kürzlich einen Einzeltäter fassen, der allein rund 100 Fahrzeuge angezündet haben soll. Aber gerade dieser Fall zeigt, wie sinnlos die Unterscheidung zwischen politisch und nicht politisch motivierten Taten ist.
Nach eigenen Angaben hat der Mann aus Frust gehandelt, er war lange Zeit arbeitslos und stoppte seine Zündelserie sofort, als er einen Job bekam. In der Polizeistatistik wird er daher als unpolitischer Täter verbucht. Dabei könnte man auch zu dem komplett gegenteiligen Ergebnis kommen. Denn was ist schließlich politischer als der wutentbrannte Protest gegen die sozialen Folgen eines Wirtschaftssystems, das am Rande der Gesellschaft Stehende jeglicher Perspektive beraubt? Ist diese Tat apolitisch, bloß weil sie nicht von einem hochkomplexen, gesellschaftsanalytischen Bekennerschreiben begleitet wird, das den Ansprüchen eines sozialwissenschaftlichen Seminars genügen würde?
Genauso schwammig ist die Einstufung der unbekannten Täter durch die Polizei anhand des Wertes der brennenden Autos: Je teurer, desto politischer. Erkennbar wird dadurch vor allem eins: die Weltsicht der Ermittler.
Das einzig definitiv Politische im Zusammenhang mit den Autobrandstiftungen ist die jeweils heiß gehandelte "politisch motiviert"-Quote. Mit ihr wird Politik gemacht, das hat die CDU zuletzt im Wahlkampf gezeigt. Zudem gibt ein unterstelltes Motiv - auch wenn das absurd scheint - Hoffnung. Denn ein politisches Motiv kann man immerhin verstehen, auch wenn man es ablehnt. Ein Täter ohne Motiv aber macht nur noch eins: ratlos.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche