Kommentar Autobrände in Berlin: Angst ist nie ein linkes Argument
Die Autobrandstifter sind wieder da. Der linken Szene kann das nur schaden. Denn die Zündeleien sind totalitär und nicht anschlussfähig.
J etzt brennen sie also wieder. Hier ein Mercedes. Da ein BMW. Dort ein Lieferwagen irgendeiner für böse gehaltenen Firma. Na super! Irgendwelche dummen Jungs fühlen sich weiß Gott wie revolutionär, indem sie im Dunkeln ein paar Autos abfackeln.
Wahrscheinlich fühlen sie sich auch noch mutig. Und wahnsinnig im Recht.
Denn leider ist es unbenommen so, dass das Autoanzünden einen Effekt hat. Auch ohne große politische Pamphlete wird schnell klar: Hier ist ein bestimmter Teil der Bevölkerung nicht gewollt. Nicht im Kiez. Nicht in der Stadt. Am liebsten überhaupt nicht.
Rund ein Dutzend Fahrzeuge wurde am Wochenende in Brand gesteckt. Der Schwerpunkt der Zündeleien lag in Friedrichshain und Kreuzberg.
***
Freitagnacht ging in Friedrichshain ein Mercedes in Flammen auf. Samstagnacht schlugen unbekannte Täter konzentriert in Friedrichshain zu. Ein Feuer an einem BMW auf der Frankfurter Allee erlosch selbstständig. Kurz zuvor war ein Suzuki-Geländewagen in der Rigaer Straße vollkommen ausgebrannt. Bei einem BMW in der Mainzer Straße und einem Audi in der Gabriel-Max-Straße brannte der Motorraum aus. Ein neben dem Audi geparkter Mercedes wurde ebenfalls beschädigt. In der Simplonstraße und in der Colbestraße brannten zwei weitere BMW. (dpa)
Aber selbst diejenigen, die beim mehr als berechtigten Protest gegen die Aufwertung, gegen den Umbau der Stadt Gewalt gegen Sachen für legitim halten, müssten eigentlich erkennen, welchen Preis sie zahlen.
Sie begrenzen die freie, persönliche Entfaltung der anderen. Sie produzieren Angst. Angst aber kann niemals Ziel, nicht einmal Zwischenschritt linken Handelns sein. Denn Angst ist totalitär.
Und falls das alles nicht überzeugt, vielleicht noch ein letztes Argument: Autoanzünden ist sowas von 2009. Altbacken. Langweilig. Gähn!
Wer nach zeitgemäßen Handlungsstrukturen sucht, der sollte vielleicht mal den jungen Spaniern über die Schultern schauen, die jetzt auch in Berlin mobilmachen. Sie setzen sich stundenlang auf die Straße, sie diskutieren basisdemokratisch ihr noch zielloses Unwohlsein. Man mag sie für harmlos halten. Für luschig. Für naiv. Eins aber sind sie mit Sicherheit: anschlussfähig an die Mehrheit der Gesellschaft. Und das, obwohl sie ganz offen nach Revolution rufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit