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Kommentar Ausländische AbsolventenDie Entdeckung des Eigennutzes

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Deutschland als Einwanderungsland, nur noch Illusion? Von den Studenten aus dem Ausland wollen die meisten bleiben - nur ein Viertel bleibt tatsächlich.

N och vor zehn Jahren galt es als edle Geste, Studenten aus Malawi kostenlos die deutsche Ingenieurskunst studieren zu lassen. Danach wurden sie dann umgehend zurück nach Afrika geschickt. Das hat sich geändert.

Das Gespenst des Fachkräftemangels lässt Politik und Unternehmen zittern, man ist froh über jeden malawischen Ingenieur, der hier das Bruttosozialprodukt steigert. Allerdings hinkt die Realität der Vision vom Einwanderungsland Deutschland noch hinterher.

Wie eine Befragung des Sachverständigenrates Migration unter ausländischen Studierenden zeigt, würden 80 Prozent von ihnen gern bleiben, doch nur 25 Prozent tun es. Zwar sind die rechtlichen Hürden seit 2005 gesunken und sollen weiter gesenkt werden – dann bekommen Absolventen mit ausländischem Pass mehr Zeit für die Stellensuche und sind keinen Beschränkungen mehr unterworfen, mit welchen Jobs sie sich in dieser Zeit finanzieren.

Bild: taz
Anna Lehmann

ist Inlands-Redakteurin der taz.

Dass die meisten dann doch nicht Fuß fassen, liegt an weichen Faktoren: fehlenden Informationen und Sprachkenntnissen sowie einem tief sitzenden Misstrauen gegen Ausländer. Jahrelang waren Ausländerbehörden und Arbeitsämter gehalten, alles Fremde abzuwimmeln – nun müssen sie den Mentalitätswechsel zu Servicestellen meistern.

Aber Deutsch lernen müssen die Menschen schon selbst? Ja, doch sie brauchen dafür Zeit und Gelegenheit. Unis bieten mittlerweile Studiengänge auf Englisch an, Deutschkurse für angehende Absolventen bleiben rar.

Und auch deutsche Arbeitgeber schauen noch zu sehr auf die sprachlich perfekte Bewerbung – müssten sich aber darauf einstellen, Geld für Nachschulungen auszugeben. Anstrengen müssen sich nicht nur die, die bleiben wollen.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.

3 Kommentare

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  • I
    Icke

    "...Ingenieure aus Malawi..." Träum weiter! Davon gibt es in ganz Deutschland noch nicht einmal drei! Wetten?!?

  • K
    Karl

    Unfug!

     

    "Man" ist über jeden Ing. hier nur dann froh, wenn sich aufgrund dessen Unkenntnis das Lohnniveau drücken läßt!

     

    Ganz egal ob aus Oberhausen oder Durban; wobei sich i.d.R. letzterer nicht so leicht verarschen läßt (und weiß was seine Arbeit wert ist) und dann sicher lieber dort bleibt, wo er hinreichend entlohnt wird!

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • K
    keetenheuve

    Frau Lehmann, irgendwie finde ich ihren Kommentar ziemlich widersprüchlich. Das "tief sitzende Misstrauen gegen Ausländer" halte ich für Einbildung. Jedenfalls wenn ich Ihren dazu gehörigen Artikel richtig verstanden habe:

    "Im Vergleich mit Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Schweden liegt Deutschland bei der Ausschöpfung des Potenzials ausländischer Nachwuchskräfte im Mittelfeld. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt schätzt fast die Hälfte aller hier studierenden Ausländer als gut ein. Über ein Drittel fühlt sich in Deutschland willkommen, nur in den Niederlanden ist dieser Anteil größer."

    Was denn nun? Gibt es etwas in allen anderen Ländern auch ein "tief sitzendes Misstrauen gegen Ausländer"?

    Und dann Schreiben Sie von einem "deutschen Gefühl" konkreter Diskriminierungserfahrungen, das angeblich 40 Prozent empfinden würden:

    "Das deutsche Gefühl wird jedoch von konkreten Erfahrungen kontrastiert: Fast 40 Prozent der Studierenden berichten, im Alltag diskriminiert zu werden."

    Semantisch sehe ich hier schon mal ein Problem. Etwas Aufhellung bringt allerdings die nachfolgende Information:

    "Ein böses Erwachen erleben zudem viele, wenn sie aus der anglisierten akademischen Welt auf den deutschsprachig geprägten Arbeitsmarkt wechseln wollen: Fast 40 Prozent sprechen nach dem Studium kein oder allenfalls rudimentäres Deutsch."

    Naheliegend ist, dass genau diese 40 Prozent sich dann auch "diskrimiert" fühlen....

    Sprachlos macht allerdings die Annahme, dass man in Deutschland auch ohne Deutschkenntnisse einen job suchen möchte.