Kommentar Ausländische Absolventen: Die Entdeckung des Eigennutzes
Deutschland als Einwanderungsland, nur noch Illusion? Von den Studenten aus dem Ausland wollen die meisten bleiben - nur ein Viertel bleibt tatsächlich.
N och vor zehn Jahren galt es als edle Geste, Studenten aus Malawi kostenlos die deutsche Ingenieurskunst studieren zu lassen. Danach wurden sie dann umgehend zurück nach Afrika geschickt. Das hat sich geändert.
Das Gespenst des Fachkräftemangels lässt Politik und Unternehmen zittern, man ist froh über jeden malawischen Ingenieur, der hier das Bruttosozialprodukt steigert. Allerdings hinkt die Realität der Vision vom Einwanderungsland Deutschland noch hinterher.
Wie eine Befragung des Sachverständigenrates Migration unter ausländischen Studierenden zeigt, würden 80 Prozent von ihnen gern bleiben, doch nur 25 Prozent tun es. Zwar sind die rechtlichen Hürden seit 2005 gesunken und sollen weiter gesenkt werden – dann bekommen Absolventen mit ausländischem Pass mehr Zeit für die Stellensuche und sind keinen Beschränkungen mehr unterworfen, mit welchen Jobs sie sich in dieser Zeit finanzieren.
Dass die meisten dann doch nicht Fuß fassen, liegt an weichen Faktoren: fehlenden Informationen und Sprachkenntnissen sowie einem tief sitzenden Misstrauen gegen Ausländer. Jahrelang waren Ausländerbehörden und Arbeitsämter gehalten, alles Fremde abzuwimmeln – nun müssen sie den Mentalitätswechsel zu Servicestellen meistern.
Aber Deutsch lernen müssen die Menschen schon selbst? Ja, doch sie brauchen dafür Zeit und Gelegenheit. Unis bieten mittlerweile Studiengänge auf Englisch an, Deutschkurse für angehende Absolventen bleiben rar.
Und auch deutsche Arbeitgeber schauen noch zu sehr auf die sprachlich perfekte Bewerbung – müssten sich aber darauf einstellen, Geld für Nachschulungen auszugeben. Anstrengen müssen sich nicht nur die, die bleiben wollen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden