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Kommentar AtomdebatteFallout in Jamaika

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Das eiserne Nein zu längeren AKW-Laufzeiten ist für die Grünen ein Identitätsanker. Schwarz-Grün würde daran nichts ändern - eine gute Nachrichtfür die SPD.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Die Grünen haben sich auf ihrem Weg in die Mitte von ziemlich vielen hehren Zielen verabschiedet. Erst ging 1999 auf dem Weg nach oben der Pazifismus über Bord, später arrangierte sich die Partei klaglos mit Hartz IV. In einem aber waren sich Realos und Fundis, Jutta Ditfurth und Joschka Fischer, Oswald Metzger und Robert Zion bei allem Zank einig: Atomkraft? Nein danke.

Im Jahre 2008 sind die Schranken zwischen Union und Grünen nicht mehr unüberwindlich. Inhaltlich gibt es zwar noch einige scharfe Differenzen, etwa in der Migrationspolitik. Doch die sind verhandelbar und übrigens eher kleiner als etwa die zwischen SPD und FDP beim Mindestlohn.

Inhaltlich ist die Schnittmenge von "Jamaika" - also von Schwarz-Gelb-Grün - größer als bei einer Ampelkoalition. Oder sollte man sagen - war größer? Denn mit der aktuellen Atomdebatte ist etwas längst verloren Geglaubtes wieder aufgetaucht: das grüne General-Nein.

Trittin & Co werden sich von der Union keine längeren AKW-Laufzeiten abhandeln lassen. Selbst wenn sie es wollten - sie könnten es nicht. Denn der von den Grünen erkämpfte Atomausstieg ist nicht nur ein hart errungenes Verdienst. Er ist für die Grünen auch ein letztes Distinktionsmerkmal. Das eiserne Nein zu längeren Laufzeiten für AKWs ist für sie ein Identitätsanker.

Ja, sie sind von Idealisten zu Pragmatikern, von Weltverbesserern zur Partei der Besserverdienenden geworden. Doch ihr Nein zur Atomkraft beweist, dass sie sich selbst treu geblieben sind - und dass sie ihre historische Mission eben doch nicht verraten haben. Die Haltung zur Atomkraft stiftet Sinn, mit dem sich die Kluft zwischen gestern und heute überbrücken lässt. Grüne Politiker können heutzutage zur Tabakindustrie, zur Pharmalobby oder zu Süßigkeitskonzernen wechseln, das wird murrend toleriert. Doch wie die Ex-Grüne Margareta Wolf Werbung für die Atomlobby zu machen, - das gilt als harscher Verrat.

Die SPD ist in der letzten Zeit mit guten Nachrichten nicht gerade überschüttet worden. Der Atomdissens zwischen Union und Grünen ist eine. Auch wenn die SPD dafür nicht viel getan hat.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

3 Kommentare

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  • B
    BrunoK

    Ja, die Grünen sind von Idealisten zur Partei der Besserverdienenden geworden. Der Hauptgrund, warum vielleicht ein großer Teil der Grünen bei der Ablehnung der Atomkraft bleibt kann damit zu tun haben. Die Klientel der Grünen muss sich nicht von der derzeitigen Angstpropaganda der Atomlobby beeindrucken lassen, weil sie finanzstark genug sind, in ihren Energiesparhäusern auszuharren und immer die neuesten "ökologichen" Autos fahren können.

    Im Ernst, ich glaube nicht daran, dass diese Partei bei "Atomkraft nein Danke" bleiben wird. Ganz pragmatisch werden die zukünftigen Qualitionen mit der CDU Kompromisse erfordern.

    Die Atomkritiker werden als letzte Fundis aus der Partei verdrängt werden, wie zuvor die Gegner von Kriegseinsätzen und die Kritiker des neoliberlanen Sozialabbaus (Agenda 2010).

  • VB
    Volker Beyer

    Ich stimme mit dem Autor des Kommentars überein was die Atomkraft und die Grünen betrifft. Die Frage die mich in diesen Zusammenhang interessiert ist die, was machen die Grünen wenn der Atomausstieg vollzogen wurde? Welches Identitätsstiftende Element haben sie dann noch? Haben sie nicht zu viel über Bord geworfen wenn das der letzte Strohhalm ist?

    Wie lang ist die Restlaufzeit der Grünen?

    Die Zeit wird es zeigen. Auch der Frontwechsel von Links in die Mitte wird sicher nicht ohne Reibungsverluste stattfinden. Man darf gespannt sein.

  • BM
    Ben Marl

    Die Grünen rücken davon niemals ab? Abwarten...