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Kommentar Atom-EthikkommissionDie Welt der Atombetonköpfe

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Eon-Chef Johannes Teyssen argumentiert plakativ, platt und nicht auf dem Sachstand der Debatte. Wie energiewirtschaftliche Polemik funktioniert, zeigte er vor der Ethikkommission.

E in beliebter rhetorischer Trick ist der Verweis auf die eigenen Kinder. Wer Nachwuchs in die Welt setzt, kann doch nur Gutes wollen. Zu sehen bei Eon-Chef Johannes Teyssen am Donnerstag: "Ich spreche sehr bewusst als Vater von vier Kindern, für die ich auch ethische Verantwortung trage" sagte er, geladen als erster Redner vor die Ethikkommission zur Energiepolitik, die über Chancen und Risiken eines schnellen Atomausstiegs debattierte.

Es war der Auftakt einer bemerkenswerten Geschichte, die Teyssen sodann zwischen den Zeilen über sich erzählte: Die des ethisch handelnden Konzernlenkers. Nein, es gehe ihm nicht vordergründig um Geld oder Marktmacht. "Es geht um die auch von den Gegnern unbestrittenen klimapolitischen und energiewirtschaftlichen Vorteile der Kernenergie." Das war Redekunstgriff zwei: Eine vermeintliche Zustimmung des "Gegners" behaupten, ohne ihn zu benennen.

Der nächste Schritt besteht darin, unverhältnismäßige Vergleiche anzustellen. Frei nach dem Motto: Auch Windräder sind gefährlich, die können umfallen und Menschen erschlagen. Jede Energieform habe ihre Nachteile, sagte Teyssen also, noch niemand habe ihm einen Königsweg für eine Energieversorgung ohne Nachteile und ethische Risiken gezeigt. Er spricht es nicht aus, aber es schwingt mit: Hier sollen die Gefahren der Atomkraft verharmlost werden.

Bild: taz

INGO ARZT ist Redakteur im Umwelt- und Wirtschaftsressort der taz.

In der anschließenden Fragerunde wird Teyssen konkreter: Es könne doch sein, sagt er, dass die geschätzten 60 bis 100 Millionen Tonnen zusätzlicher deutscher CO2-Emmissionen wegen des schnelleren Atomausstiegs die alles entscheidenden Klimagase sind. Ihretwegen könnte das Weltklima endgültig kippen. Ob das sicherer sei als der "regionale Schaden", den ein AKW verursachen könne?

Wissenschaftlich freilich ist das grober Unsinn, was Teyssen da erzählt. Es geht um 0,2 bis 0,4 Prozent des globalen Ausstoßes. Nicht eingerechnet die späteren C02-Einsparungen durch einen schnelleren Energiewandel sowie der europaweite Emissionshandel, der den Ausstoß deckelt.

Natürlich warfen sich nach Teyssen die Experten die Zahlen um die Ohren: Wie viel Stromleitungen werden gebraucht: 1.000 Kilometer oder 3.400 Kilometer? Wie hoch wird der Strompreis steigen? 1,5 Cent pro Kilowattstunde, klingt nicht viel, sagen die Ökostromer. Das sind neun Milliarden im Jahr, ruft es aus der anderen Ecke.

Auch hier werden Zahlen interpretiert und von Interessen geleitet gelesen. In der Diskussion um die Energiewende geht es schließlich um viel Geld. Auch die Branche der regenerativen Energien sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die ihren Profit erzielen wollen - und auch Eon verdient Geld mit Windparks.

Der Unterschied ist allerdings ein bedeutender: Eon, Vattenfall, RWE und EnBW machen durch eine Verzögerung der Energiewende und ihrem alten, dadurch gefährdeten Oligopol, Profit. Ihre marktbeherrschende Stellung lässt sich kaum halten, wenn die Atommeiler vom Netz gehen. Stattdessen müssen sie sich mit Stadtwerken und anderen Konkurrenten um den neuen Markt balgen.

Die großen Vier können strukturell nur verlieren. Deshalb sind ihre Aussagen zur Energiewende zweifelhaft und waren in der Vergangenheit allzu oft eher geschickte PR als ein substantieller Beitrag zur Debatte. Das hat Johannes Teyssen am Donnerstag unter Beweis gestellt: Rhetorisch geschickt, inhaltlich irrelevant.

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Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
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14 Kommentare

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  • H
    Hasso

    Atom - Kraftwerke sind so sicher, dass keine Versicherung sie versichern will!? Was könnten die Versicherungen reich werden, weil sie ja nie einen Schaden bezahlen müssten. Die AKW's machen leicht Geld und die Politik will etwas davon abhaben-, das ist des "Pudels Kern".- Nicht auf andere Länder schauen und Vorreiter für den Ausstieg sein! Dann Ideen verkaufen. Seit 1961 bis dato ist "Die Brücke" schon 50- Jahre "lang" und die Energiekonzerne haben bisher nicht mal "die Pfeiler gebaut". Was das für Lügner sind! Meinen die etwa, das Volk wäre dümmer als sie selbst? Man weiß ja auch wer in den Energie-Konzernen steckt; unter anderem, ehemalige Pappnasen der Politik.So einer aus der Schröder-Gang ist auch dabei.

  • W
    Waage

    @joachim,

     

    locker bleiben, die versuchen eben immer wieder die gleiche Masche und sind in allen Foren unterwegs.

    Da hilft nur immer wieder richtig stellen, dass nimmt einem leider keiner ab...

     

    Und wenns ganz schlimm wird: Sysophos ist unser Schutzheilger und steht uns bei - heute und in Zukunft!!!

  • J
    Joachim

    @dete

    "So lange die Photovoltaik, die deutlich mehr Energie zur Herstellung benötigt als im Lebenszyklus wieder erzeugt wird, als ökologische Technik benannt wird, fehlen mir jede Worte."

     

    Das ist schlicht falsch. Einfach mal nach Erntefaktor Photovoltaik googlen.

     

    Besteht nicht die Möglichkeit, dass die Kommentarmoderatoren einen Hinweis unter solche *nachweisbar falschen* Kommentare schreiben?

  • S
    Schwubsi

    @Realist

     

    Nur eine Frage: warum kann kein einziges KKW real gesehen versichert werden?

     

    Weil das minimale Eintrittsrisiko mit unendlicher Schadenshöhe multipliziert eben immer noch unbegrenzte Schäden ergibt. Das kann keine Versicherungsgesellschaft mehr tragen.

     

    Und glauben Sie bloss nicht in Frankreich (u.ä.) ist das anders. Dort ist man schlicht abhängig wie ein Junkie von der Kernkraft - das ist bei uns nicht der Fall und deswegen ist es realistisch auszusteigen.

     

    Allerdings, sollten sie interessengeleitet sein wie die 4 Energiekonzerne kann ich ihr Statement wohl verstehen.

  • DD
    Der Duderich

    @ Realist:

     

    Mir scheint, SIE verleugnen die Realität in Japan. Bringen sie mal den Japanern, die ihre Heimat auf ewig verlassen müssen ihren Realismus bei!

     

    Ihre Realität ist eine andere als meine.

  • F
    Florian

    Da hilft nur E.ON, RWE & Co. abschalten: www.EON-abschalten.de

  • WB
    Wolfgang Bieber

    Alle schreiben über Fukushima – in Deutschland regiert die Weltuntergangsstimmung, in den USA dominieren dramatische Rettungsgeschichten. Zwei Aspekte gehen dabei verloren: Eine Diskussion der eigentlichen Risiken – und die Aufmerksamkeit für die Opfer des Bebens. Es geht uns nicht um das Schicksal der Japaner – sondern um uns selbst:

    http://bit.ly/jYP6OI

  • V
    vic

    Ich bin ja so gespannt auf den Rat einer "Ethik-Kommision", die mit solchen Figuren besetzt ist.

  • B
    Bitbändiger

    Eigentlich wäre mir diese Merkel-typische Veranstaltung "Ethik-Kommission" (toll: mit Kirchenvertretern, aber ohne Umweltverbände!) keines Kommentars wert. Aber dass da immer noch so diskutiert wird, als könnten wir einfach weitermachen wie bisher, wenn wir nur die Atom-Ängste überwinden, kann so nicht stehenbleiben.

     

    Das insinuierte Alternativenpaar "Beibehaltung des Status quo" gegen "energiepolitische Wende" existiert nämlich nicht: Alle Sachkenner wissen, dass die Ressourcen Uran, Öl und Gas vielleicht noch für 20-40 Jahre verfügbar sind; Kohle ein bisschen länger. Unsere Alternative lautet folglich, entweder jetzt relativ sanft den Umbau in Angriff zu nehmen, oder mit immer riskanteren Methoden (Tiefssebohrungen, Fracking) auch noch die letzten fossilen Vorkommen auszuwringen und es unseren Kindern/Enkeln aufzuhalsen, irgendwann "von jetzt auf gleich" umsteigen zu müssen.

     

    Intelligenz wäre jetzt dringend gefragt. Dazu gehört auch die Enteignung und Zusammenführung der vorhandenen Stromnetze in eine verantwortliche Hand, um zu verhindern, dass die 4 Energie-Oligarchen leitungsmäßig nur ihre eigenen Interessen-Süppchen kochen und das Land mit weiteren 380-kV-Strecken zupflastern, statt die eine oder zwei dringend benötigten Gleichstrom-Trasse von Nord/Nordost nach Süd unterirdisch zu verlegen.

  • D
    dete

    Als ob man den Unsinn, den Greenpeace derzeit veröffentlicht, glauben kann...

     

    So lange die Photovoltaik, die deutlich mehr Energie zur Herstellung benötigt als im Lebenszyklus wieder erzeugt wird, als ökologische Technik benannt wird, fehlen mir jede Worte.

     

    Jeder kann auf einem DIN4A-Zettel nachrechnen, was eine angebliche Vollversorgung durch Erneuerbare bedeutet.

  • H
    harry

    und immer wieder muss man darauf verweisen: Atomstrom ist K E I N billiger strom, er ist nur schöngerechnet. die folgekosten und nebenkosten werden vom staat getragen und stören somit die bilanzen der betreiber nicht. aber bezahlt werden sie, vom bürger.

  • R
    Realist

    Sehr geehrter Autor,

     

    mit Ihrem Kommentar machen Sie deutlich, dass auch Sie völlig voreingenommen gegen Kernkraft sind. In Ihrem Kommentar erkenne ich keine sachliche Debatte. Bei solchen Veröffentlichungen ist es kein Wunder, dass die Bevölkerung keinen Realismus walten lässt.

     

    Mit freundlichen Grüßen

  • W
    Waage

    Passt!

     

    Prima Kommentar von Ingo Arzt - Dankeschön!

  • K
    KFR

    "...Kindern, für die ich auch ethische Verantwortung trage"

    super,dann mal je einen Castor rechts und einen Castor links von der Haustür und einen neben den Pool bitte !