Kommentar Arbeitslosenzahlen: Gefakte Gewinnerinnen
Die verdeckte Arbeitslosigkeit unter Frauen ist um einiges höher als die unter Männern.
D er Mann an sich ist ohnehin schon eine Weile in der Krise. Nun ist er auch noch überproportional von der Wirtschaftskrise betroffen. Die Arbeitslosenquote der Männer liegt erstmals höher als die der Frauen, und zwar EU-weit. Ist das ein weiterer Vorbote der Männerdämmerung, die seit einigen Jahren am Horizont dräut? Frauen überall auf dem Vormarsch?
Die Zahlen allerdings sind zu ernst für schlichte Geschlechterquatsch-Thesen. Denn die Krise der Männer ist immer auch die Krise der Frauen. In Bezug auf die Wirtschaftskrise heißt das: Opel zu retten und Karstadt nicht, das war nur in nuce, was die Konjunkturpakete im Großen praktizieren: Abwrackprämie und Baumaßnahmen schaffen Männerarbeitsplätze. Später muss dafür - auch dank Schuldenbremse - im Staatshaushalt gespart werden, das trifft dann den öffentlichen Dienst und damit überwiegend Frauen.
Aber ohnehin ist der direkte Vergleich von Männer- und Frauenarbeitslosenquoten immer etwas schräg: Die verdeckte Arbeitslosigkeit unter Frauen - Stichwort stille Reserve - ist um einiges höher als die unter Männern. Und dann muss man sich auch die Jobs der angeblichen Gewinnerinnen ansehen: Die meisten Frauen in Deutschland, mehr als die Hälfte, arbeiten in Teilzeit- oder Minijobs. Ein Drittel aller erwerbstätigen Frauen schuftet zu Niedriglöhnen - bei den Männern ist es nur ein Zehntel.
Frauen mit diesen Arbeitsplätzen sind nicht die Klientel, die irgendwelche Männer überholen. Sie arbeiten auf der Resterampe des Arbeitsmarktes: billig, flexibel, austauschbar. Vielleicht werden in Zukunft mehr Männer auf dieser Resterampe und in der Arbeitslosigkeit ankommen. Die einzig gute Nachricht wäre dann, dass dieser Sektor, würde er immer männlicher, endlich stärker in den Fokus der Politik rücken würde.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen