Kommentar Anschlag Boston-Marathon: Das Ende der Angstfreiheit

Es gibt im Sport nur wenige Freiräume, die man ohne Beschränkung betreten darf. Nun könnten auch Stadtmarathons zum Sicherheitsplanspiel werden.

Anschlag in Boston: Es bleibt ein mulmiges Gefühl beim Besuch des nächsten Marathons. Bild: dpa

Das Perfide an einem Bombenattentat ist, dass seine Wirkung so umfassend ist. Es trifft nicht nur Umstehende, sondern eine ganze Gesellschaft, die in der Folge mit Restriktionen und weiteren Beschränkungen von Freiheitsrechten leben muss. Die Bomben von Boston haben einen traditionsreichen Marathonlauf getroffen. Hier sind Tausende ohne Kontrolle und Leibesvisitation an die Strecke gegangen, um 23.000 Läufern zuzujubeln. Es war ein Volksfest.

Man konnte sich bislang am Rande der Strecke frei, auch angstfrei bewegen. Das ist jetzt anders. Es ist zu befürchten, dass künftig bei Stadtmarathons, generell bei Massenaufläufen, ein Aufwand betrieben wird wie sonst nur beim Check-in auf dem Flughafen.

Sportveranstaltungen, also Ereignisse mit hohem Symbolwert und viel Publikum, sind schon immer potenzielle Anschlagsziele gewesen. Sie war es 1972 in München, 1996 bei den Sommerspielen in Atlanta und auch 2010 beim Afrikacup in Angola, als die Fußballmannschaft von Togo angegriffen wurde. Das Drama von München vor 41 Jahren hat im Grunde alles verändert.

Olympische Spiele sind seitdem Hochrisiko-Events unter Mitwirkung von Polizei, Spezialkräften und Militär. Ein freier Zugang zu Stadion, Sportstätten oder dem olympischen Dorf ist nicht möglich. Verschiedene Schleusen sind zu passieren. Mitunter schaut sich der Verfassungsschutz genau an, wer in die Nähe der Sportler und Funktionäre darf.

Es hat im Sport nur noch wenige Freiräume gegeben, die man ohne Beschränkung betreten durfte. Marathonläufe gehörten dazu. Werden sie nun auch zum Gegenstand von Sicherheitsplanspielen? Hoffentlich nicht, denn der öffentliche Raum und gerade eine 42,195 Kilometer lange Strecke können nicht umfassend geschützt und überwacht werden, jedenfalls nicht so, wie sich das manch ein Politiker wünscht.

Was bleibt, ist ein mulmiges Gefühl beim Besuch des nächsten Marathons. Aber dieses Gefühl, das einen in der Einkaufsmeile, in der U-Bahn oder als Demonstrant in einer Masse von Tausenden begleitet, darf nicht so übermächtig werden, dass man bereit ist, Freiräume und rechtsstaatliche Errungenschaften aufzugeben. Die Antwort auf die Bomben von Boston kann nur lauten: Wir alle sind zum Wohle der Zivilgesellschaft willens, dieses mulmige Gefühl auszuhalten.

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