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Kommentar Al-BaradeiDer unbekannte Prophet

Kommentar von Peter Philipp

Der ehemalige IAEO-Chef Al-Baradei hat längst bewiesen, dass er keine Marionette des Westens ist. Am Nil kümmert das jedoch kaum jemanden.

E igentlich hatte er ja für das Amt des ägyptischen Präsidenten kandidieren wollen. Aber Ende Januar gab Mohammed al-Baradei resignierend auf: Das „alte Regime“ sei in Gestalt des Obersten Militärrats weiterhin an der Macht, und sein Gewissen erlaube es ihm nicht, zu kandidieren, solange in Ägypten nicht ein wirklich demokratisches System etabliert sei.

Von einem solchen demokratischen System ist das Land drei Monate später unverändert weit entfernt. So verwundert es umso mehr, dass al-Baradei nun die Gründung einer eigenen Partei bekannt gibt. Zumal auf absehbare Zeit keine Wahlen anstehen, bei denen diese Partei antreten und sich um die Gunst der Wähler bewerben könnte. Die Präsidentschaftswahlen im Mai werden von den wenigen Kandidaten bestritten, die nicht aus dem einen oder anderen Grund disqualifiziert wurden.

Und die Parlamentswahlen, die Ende Januar zu Ende gingen, können auch nicht gerade als Ermunterung zur Gründung einer liberalen und weltoffenen Partei gesehen werden: Fast drei Viertel der Stimmen gingen an die Muslimbrüder und die radikaleren Salafisten. Unvorstellbar, wie da in absehbarer Zeit eine dritte Kraft antreten könnte, die auch nur annähernd eine realistische Chance hätte, die Geschicke Ägyptens entscheidend mitzubestimmen.

Peter Philipp

ist Nahostexperte und Autor der taz.

Al-Baradei war vor allem im Ausland als Hoffnungsträger für einen demokratischen Neubeginn gefeiert worden – und der aufrechte ehemalige IAEO-Chef ließ sich offenbar davon zu sehr beeindrucken. Denn in weiten Kreisen der Bevölkerung wird er längst als Mann des Westens betrachtet. Man begegnet ihm mit Skepsis. Zu Unrecht, denn gerade im Atomstreit mit dem Iran hatte al-Baradei ja immer wieder bewiesen, dass er keine Marionette des Westens ist. Nur scheint das am Nil kaum jemanden zu kümmern.

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