Kommentar Afghanistan: Täglich eine Sau durchs Dorf
Nächste Woche wird die neue US-Afghanistan-Strategie vorgestellt. Noch wirkt sie unkoordiniert und scheinbar beliebig. Das sieht weniger nach Strategiewechsel, als nach Chaos aus.
Dass US-Präsident Barack Obama die Afghanistan-Strategie seines Vorgängers grundsätzlich infrage stellt und durch eine neue ersetzen will, ist angesichts des offensichtlichen Scheiterns der bisherigen Politik überfällig. Spätestens nächste Woche zur internationalen Afghanistan-Konferenz und dem Nato-Jubiläumsgipfel soll die neue Strategie vorgestellt werden. Seit Wochen kursieren mutmaßliche Bestandteile. Einzelne Maßnahmen wie die Aufstockung des US-Militärs um 17.000 Soldaten wurden bereits in Angriff genommen.
Doch derzeit vergeht kein Tag, an dem aus Washington nicht eine neue Sau durchs afghanische Dorf getrieben wird: Mal sollen afghanische Stämme gegen die Taliban ins Feld geschickt werden, mal mehr zivile Aufbauhelfer kommen, Nato-Truppen sollen auch gegen den Drogenanbau vorgehen, und die Zahl der Polizisten soll drastisch erhöht werden. Plötzlich werden "moderate" Taliban zum Verhandeln entdeckt, die gleich noch in die Regierung eingebunden werden sollen. Dann muss Präsident Karsai umgangen werden, damit seine Regierung endlich effizienter und weniger korrupt wird. Und jetzt soll - so Obamas neuester Vorschlag - noch eine Ausstiegsstrategie her.
Viele der lancierten Vorschläge sind bedenkenswert. Doch macht deren Unkoordiniertheit und scheinbare Beliebigkeit nicht den Eindruck eines überlegten und ausgereiften Strategiewechsels. Vielmehr sieht es nach konzeptionellem Chaos aus, wenn nicht gar nach einer gewissen Panik angesichts der drohenden Niederlage. In diesem Durcheinander wirkt es nicht sonderlich überzeugend, von einer Ausstiegsstrategie zu sprechen. Denn unklar ist, ob sie als Drohung gegen jene gerichtet ist, die sich den Vorstellungen der Amerikaner nicht beugen, oder bloß eine Beruhigungspille für die Kriegskritiker. Zudem spielen die betroffenen Afghanen bei den Vorschlägen immer nur die Rolle von Statisten, Befehlsempfängern oder Kanonenfutter. Das dürfte das Gefühl der Fremdbestimmung verstärken und den Taliban und ihren Verbündeten erleichtern, sich als Verteidiger nationaler Interessen zu gerieren. "Change we can believe in" muss am Hindukusch anders kommuniziert werden.
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