Kommentar Afghanistan: Es geht nicht um die Bevölkerung
Die fatale Handlungslogik hinter dem Bundeswehr-Einsatz war schon immer: In Afghanistan geht es um viel, nur nicht um die Belange der Bevölkerung vor Ort.
D ie Bundeswehr hat 4.450 Soldaten in Afghanistan. Dagegen stehen 240 zivile Aufbauhelfer. Nur ein Beispiel, das zeigt: Acht Jahre nach Beginn des Einsatzes ist der zivile Aufbau immer noch zweitrangig. Die fatale Handlungslogik hinter diesem Einsatz war schon immer: In Afghanistan geht es um viel, nur nicht um die Belange der Bevölkerung vor Ort. Denn die Menschen haben keinen Einfluss auf die, die über ihr Schicksal entscheiden.
Die Frage, wie ihrem Land am besten geholfen werden kann, beantworten nicht sie. Die Verantwortlichen müssen einen geringeren politischen Preis zahlen, wenn statt eigener Soldaten ein paar Zivilisten bei einem Bombardement getötet werden. Das führt dazu, dass endlose Debatten über die Zukunft der Nato, deutsche Bündnistreue, die Ausrüstung deutscher Soldaten, deutsche Sicherheit, den Kundus-Ausschuss, internationalen Terrorismus, Exitstrategien und Abzugstermine geführt werden.
Dutzende Regierungen haben Soldaten geschickt und tragen Verantwortung, müssen ihr Gesicht wahren, Wahlen gewinnen, Anhänger überzeugen. Deshalb dreht sich die Diskussion hierzulande nur um deutsche Interessen. Die Frage nach den Schutz der eigenen Soldaten wird heftiger diskutiert als die, warum der Aufbau des Landes so eklatant verschleppt wurde. Und jetzt? Gibt es einen munteren Wettbewerb, wer die geringste Schuld an der Misere trägt.
Ingo Arzt ist Baden-Württemberg-Korrespondent der taz.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung muss ihren Verteidigungsminister dagegen verteidigen, dass er einen Bombenangriff, bei dem Dutzende Zivilisten getötet wurden, als angemessen bezeichnet hat. Die SPD und die Grünen sind in der schizophrenen Situation, gegen die eigenen Beschlüsse opponieren zu müssen. Und die meisten Medien spielen, wahrscheinlich unbewusst, mit der subtilen Faszination des Grauens.
Deutsche Soldaten an der Front, deutsche Soldaten kehren traumatisiert nach Hause, deutsche Opfer in Särgen, "Warum sterben Kameraden?", titelt der Spiegel mit einem Soldatenzitat. Soldaten mit Gewehren machen offensichtlich mehr her als die Frage, wie man eine Grundschule baut.
Die deutsche Öffentlichkeit weiß sehr wenig über die afghanische Gesellschaft. Auch das führt dazu, dass sich die Politik nur um ihre Eitelkeiten dreht. Wie es weitergeht? Vielleicht sollte mal ein deutscher Politiker sagen: Wir arbeiten für die Afghanen, nicht für unsere Wiederwahl.
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