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Kommentar Afghanistan-KonferenzDer Gipfel des Scheiterns

Kommentar von Eric Chauvistré

Die Afghanistan-Konferenz war eine Veranstaltung mit besonders fragwürdigem Wert und ohne wirklich neue Ansätze. Selbst der mediale Rummel zum Thema blieb aus.

E s ist nicht die erste internationale Konferenz, an deren Sinn mehr als leise Zweifel erlaubt sind. Und doch war das Londoner Treffen zu Afghanistan eine Veranstaltung von besonders fragwürdigem Wert. Denn ihrer vorgeblichen Aufgabe, eine neue Strategie der Nato-Truppen für Afghanistan zu entwickeln, konnte sie unmöglich nachkommen - diese neue Strategie gibt es nämlich längst.

Barack Obama hat sie schon Anfang Dezember vorgestellt: Mehr Truppen gehören dazu, aber eben auch der Einkauf zusätzlicher Warlords - und selbstverständlich auch der Ausbau von Hilfsprojekten, um die Akzeptanz des US-Militärs vor Ort zu erhöhen.

Forderungen an die afghanische Regierung sind ebenfalls keine neue Idee. Allerdings waren diese nie so unglaubwürdig wie jetzt. Denn Forderungen sind nur dann Forderungen, wenn ihre Nichterfüllung Konsequenzen nach sich zieht. Die Nato aber ist von Karsai mindestens ebenso abhängig wie Karsai von der Nato. Es ist undenkbar, dass Karsai fallen gelassen wird, weil er eine der Zielvorgaben nicht erfüllt. Das Bündnis braucht für einen gesichtswahrenden Abzug eine einigermaßen intakte Regierung. Dass selbst ein Wahlfälscher für die Rolle gut genug ist, zeigt, wie verzweifelt die Nato ist.

Bild: taz

Eric Chauvistré lebt als freier Autor und Journalist in Berlin.

Bleibt nur der angenehme Nebeneffekt, den internationale Konferenzen - sei es zur Finanzkrise, zum Klimawandel oder zum Erdbeben in Haiti - in der Regel haben: das Wecken medialer Aufmerksamkeit. Doch nicht einmal diese Funktion erfüllte die Londoner Konferenz. Und sie sollte das auch gar nicht. Im Gegenteil: Angela Merkel hatte die Konferenz, kurz nach den Luftangriffen von Kundus Anfang September, gerade angeregt, um die Diskussion über das innenpolitisch unbequeme Thema Afghanistan möglichst elegant zu beenden. Die Konferenz sollte den gescheiterten Afghanistan-Einsatz von der Agenda holen - und dabei auch noch als Moment des Aufbruchs verkauft werden.

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5 Kommentare

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  • KK
    Klaus Keller

    ich versteh die Veranstaltung nicht,

     

    was ich ganz besonders nicht verstehe ist das ich nirgendwo etwas davon gehört habe das die UN irgend etwas mit der Konferenz in London zu tun hat.

     

    Wenn die NATO so wichtig ist warun nicht gleich im HQ derselben, oder war London Ort des Schauspiels weil Groß-Britanien zweitwichtigster Truppensteller ist?

     

    Was ich darüber hinaus nicht verstehe warum manche vorher schon so genau wußten was sie hinterher machen wollen und warum man dann noch zu einer angeblich ergebnisoffenen Konferenz reist.

    Ich gebe zu ich versteh nix

     

    klaus keller hanau

  • C
    Chijong

    Ich finde man sollte das differenzierter sehen. Tatsächlich hat das alte Rom andere Völker auch für Ruhe und Ordnung bezahlt-und es hat oft funktioniert.

    Natürlich geht es hier vor allem darum das Gesicht zu waren, aber das ist auch notwendig. Die Staaten befinden sich nämlich nicht nur in einer Wirtschaftskrise, sondern auch in einer Identitätskrise. Es gilt das Image des Westen der Westbevölkerung wieder attraktiv zu machen, denn damit der Staat handlungsfähig bleibt muss das Volk an ihn glauben. Wir sind dabei diesen Glauben zu verlieren und das könnte schlimmstenfalls zum Zerfall führen.

    Im übrigen erwarte ich, dass wir noch länger als bis 2014 in Afghanistan stationiert bleiben werden. Ich halte das alles für eine Hinhaltestrategie und kann das nur gut finden.

  • G
    gregor

    Afghanistan ist ein Sahnehäubchen der imperialen Ausdehnung. 2001 war der Westen mächtig und wußte nicht wohin, also ist man nach Afghanistan gegangen. Jetzt aber, in der Zeit der Krise muss man sich um eigene Baustellen kümmern und keine Bau-mal-einen-Staat-auf-in-Hindukusch Phantasien betreiben. Spenden für Taliban und Mindestlohnverweigerung für Zusteller verträgt sich nicht in einer Nachrichtensendung.

  • M
    Martin

    "Es ist nicht die erste internationale Konferenz, an deren Sinn mehr als leise Zweifel erlaubt sind."

    Stimmt:

    "Allerdings muss man feststellen und zur Kenntnis nehmen, dass das Petersberg-Abkommen, dessen Umsetzung die Isaf-Einsätze dienen sollten und sollen, in seiner demokratischen und völkerrechtlichen Legitimation sehr zweifelhaft ist. Das resultiert bereits aus der höchst einseitigen Festlegung des Teilnehmerkreises und sowie aus den inhaltlichen Vorgaben dieses Abkommens und seiner tatsächlichen Umsetzung in Afghanistan.(...)

    Der in Deutschland lehrende afghanische Politikwissenschaftler Matin Baraki kommt angesichts dessen zu dem Schluss: "Nicht in Afghanistan durch Afghanen, sondern auf dem Petersberg wurden die Weichen gestellt und eine Regierung auf massiven Druck der über zwanzig anwesenden US-Vertreter unter Beteiligung dreier islamistischer und einer monarchistischen Gruppe gebildet. Hamid Karsai, der seit Beginn des afghanischen Bürgerkrieges enge Verbindungen zur CIA unterhalten hatte und sich im Indischen Ozean auf einem US-Kriegsschiff befand, wurde zum Interimsministerpräsidenten ernannt."

    http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=2105270&em_loc=1231

  • M
    Martin

    Ein zutreffender Kommentar, Herr Chauvistre, wobei das, was uns als 'neue Strategie' verkauft werden soll, wie Nachrichten aus dem Irrenhaus anmuten: noch mehr Soldaten, noch mehr Gelder, keinerlei Änderungen bei der systematischen Korruption, der Herrschaft von Warlords usw. Das 'System Karsai' bleibt dem Westen sakrosankt, während tatsächliche Kenner des Landes gerade darin die Hauptursache der Probleme sehen, ein System der Kooperation mit Warlords und Drogenhändlern, u.a. der Halbbruder Karsais, ein System, das die Bevölkerung knechtet. Rechtlosigkeit, denn auch die Justiz ist korrupt. Und Foltergefängnisse. Deutschland will sich mit einem Projekt der 'Polizeiausbildung' hervor tun, in einem Land, wo man sich laut Presse den Posten eines Polizeichefs für 50.000 US Dollar kaufen kann. Was sollen dortige Polizeianwärter erlernen: die Verhaftung von Afghanen, die nicht genügend Schmiergelder zahlen, oder die Verhaftung ihrer korrupten Polizeiführung? Auf Karsai zu setzen, sei 'alternativlos', so predigen die Kriegsbefürworter, leider auch Grüne. Und dann wird die dortige Opposition zu diesem Regime auch alternativlos bleiben. Weitere Tote, weitere Gelder...