Kommentar Afghanistan-Einsatz: Kein wirklicher Truppenabzug
Die Bundeswehr will fast 1.000 Soldaten aus Afghanistan abziehen – doch nur diejenigen, die sowieso überflüssig sind. Auf dem Papier macht sich das freilich gut.
N un ist es raus: Um fast 1.000 Soldatinnen und Soldaten wird die Bundeswehr ihr Kontingent für den Afghanistan-Einsatz bis 2013 verringern. Fast ein Fünftel weniger Soldaten – das klingt nach einem echten Schritt in Richtung Abzug. Doch in Wirklichkeit ist die Ankündigung der Bundesregierung vom Donnerstag eine Enttäuschung.
Denn zunächst passiert fast gar nichts. Im ersten Schritt, bis Anfang 2012, sind nur 450 Soldatinnen und Soldaten von der Ankündigung betroffen. Der größte Teil davon – 350 Personen – gehören sogar nur zur flexiblen Reserve. Die zu streichen macht sich gut auf dem Papier eines verantwortlichen Ministers.
An der Anzahl der in Afghanistan eingesetzten Soldaten ändert sich dadurch freilich nichts. Bleiben die 100 Awacs-Soldaten, die abgezogen werden. Auch dahinter verbirgt sich eine Mogelpackung: Denn im kommenden Jahr geht das eigene afghanische Bodenradarsystem in Betrieb. Die Awacs-Überwachungshelfer werden dann ohnehin nicht mehr gebraucht. Die Konsequenz: Innerhalb der kommenden 12 Monate wird höchstwahrscheinlich kein einziger Soldat aus Afghanistan abgezogen, der nicht überflüssig oder gar nicht da ist.
ist Parlamentskorrespondent der taz.
Das ist, mit Verlaub, ein starkes Stück. Erst Anfang dieses Jahres hatte die Bundesregierung viele Stimmen für die Mandatsverlängerung auch aus dem Lager der Opposition erhalten – allein durch die Zusage, der Abzug beginne im laufenden Jahr. Es erscheint mehr als unsicher, dass die Regierung eine derartige Mehrheit bekommen hätte, wäre vorher klar gewesen, was nun bekannt wurde.
Es lässt auch tief blicken. Da wurden Zusagen für einen Abzug gemacht, um eine politische Mehrheit zu bekommen. Auch, um eine deutsche Bevölkerung ruhigzustellen, die diesen Krieg schon lange nicht mehr will. Diese Zusagen können nun nur mit Tricks und Zahlendrehereien eingehalten werden - ohne dass sich an der Wirklichkeit in Afghanistan etwas verändern wird.
Aber was heißt das eigentlich für die Zukunft dieses Kriegseinsatzes?
2013 werden immer noch 4.400 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan sein. Bis 2014 soll der Abzug beendet sein. Auch das war eine politische Zusage, die erst ein Jahr alt ist. Das Lavieren um den Beginn des Abzugs lässt befürchten: Die Bundesregierung wird noch viel mehr tricksen, bis der endgültige Abzug aus Afghanistan Wirklichkeit ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen