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Kommentar ÄgyptenGeplantes Chaos?

Kommentar von Juliane Schumacher

Die blutigen Zusammenstöße in einem ägyptischen Stadion reihen sich ein in die Strategie des Militärs: Für Unruhe und Chaos sorgen, um als Garant der Sicherheit zu gelten.

E s herrscht kein Zweifel: Mit Fußball hatten die jüngsten blutigen Zusammenstöße in einem ägyptischen Stadion nichts zu tun. Sie waren ein weiteres Kapitel im Kampf der noch verbliebenen Teile der Revolutionsbewegung mit den Militärs, die die brutale Herrschaft des Präsidenten Mubarak nahtlos fortsetzen.

Sie reihen sich ein in die Strategie, die das Militär seit Monaten fährt, um seine wirtschaftliche und politische Macht zu sichern. Die hieß: für Unruhe und Chaos sorgen, um damit bei der breiten Masse der Bevölkerung als Garant von Stabilität und Sicherheit dazustehen; vor radikalen Islamisten warnen, um die Unterstützung des Westens und der Liberalen zu behalten; alle andauernden Proteste auf "feindliche Kräfte" aus dem Ausland schieben, die das Land angeblich destabilisieren wollen.

Diese vom Mubarak-Regime übernommene Strategie hat erstaunlich lange funktioniert. Das war möglich, weil die "Couch-Partei", die Mehrheit der unpolitischen Ägypter, die Unsicherheit der Umbruchsphase satthat und sich nach Ruhe sehnt. Das Militär hat die Revolution erfolgreich für sich vereinnahmt und zudem die Medien rasch wieder unter seine Kontrolle gebracht.

Weder das Massaker von Maspiro im Oktober, als das Militär 27 koptische Demostranten tötete und dies dann als religiöse Unruhen verkaufte, noch die schweren Zusammenstöße im November und Dezember, als Soldaten Protestierende brutal misshandelten und töteten, haben die Herrschaft des Militärs im Land ernsthaft erschüttert.

DIE AUTORIN

JULIANE SCHUMACHER ist freie Autorin der taz und lebt in Berlin und Kairo.

Und weder die Stürmung der Konrad-Adenauer-Stiftung noch das Festsetzen von Mitarbeitern amerikanischer Menschenrechtsorganisationen hatten eine Änderung der guten Beziehungen Deutschland und der USA zur Militärführung zur Folge – von einem Stopp der Milliarden Militär- und "Demokratie"-Förderung ganz zu schweigen. Mit den Muslimbrüdern haben die Militärs einen loyalen Verbündeten ins Parlament gehievt. Nun fühlten sie sich sicher genug, die Reste der Revolutionsbewegung auszumerzen.

Doch diese Strategie stößt jetzt an ihre Grenzen: Auch in Ägypten wird die Unfähigkeit der greisen Generäle registriert, dem Land eine wirtschaftliche und politische Zukunft zu geben. Es wird noch dauern, und es wird mehr Opfer fordern. Langfristig könnte die Revolution aber der Anfang vom Ende der Herrschaft der Miltärs in Ägypten sein.

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Autorin
Freie Journalistin. Schreibt zu Lateinamerika und der arabischen Welt, Ökologie und globaler Wirtschaft.
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1 Kommentar

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  • F
    fidel

    liebe taz,

    bei terroropfern/entführten/geiseln nennt man das stockholm-syndrom, was für einem namen gebt ihr diesem kommentar.