Kommentar Adoptionsbetrüger: Außerhalb des Rechts
Die Waisenaffäre im Tschad schadet dem Ansehen Europas in Afrika nachhaltig. Kaum ist das Urteil gesprochen, will Sarkozy die Betrüger heimholen.
Gibt es in Afrika Sondergesetze für Weiße? Die Frage drängt sich auf, nachdem der Prozess um das französische Hilfswerk "Arche de Zoé" im Tschad mit Schuldsprüchen und drakonischen Zwangsarbeitsstrafen endete. Denn kaum sind die Urteile verkündet, wird in Frankreich darüber gesprochen, die Verurteilten, die tschadische Kinder gekidnappt hatten und sie als Darfur-Waisen nach Frankreich ins Adoptionsgeschäft einschleusen wollten, nach Hause zu holen. Das hat nichts mit der international üblichen Praxis zu tun, eine im Ausland verhängte Strafe im Heimatland abzusitzen - in Frankreich gibt es keine Zwangsarbeit. Worum es geht, hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy schon kurz nach Beginn der Affäre um "Arche de Zoé" im Oktober klargemacht: Die festgenommenen Franzosen würden heimkehren, "egal was sie gemacht haben".
Die Wut, die diese Haltung im Tschad ausgelöst hat, wird in Frankreich und Europa unterschätzt. Nicht nur werden Weiße von vielen Tschadern seit Beginn der Waisenaffäre pauschal mit Kindesentführern gleichgesetzt. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich manche Franzosen als außerhalb des tschadischen Rechts stehend betrachten, spricht auch europäischen Bekenntnissen zu Rechtsstaatlichkeit und guter Regierungsführung Hohn. Dabei sind dies zentrale Teile des entwicklungspolitischen Diskurses gegenüber Afrika.
Wen wundert da die Skepsis, mit der Demokraten im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik der geplanten europäischen Eingreiftruppe an den Grenzen dieser Länder zu Sudan gegenüberstehen? Die offene Ablehnung der Regierung des Sudan gegenüber westlicher Einmischung im Darfur-Krieg? Das Erstarken von al-Qaida in den Maghreb- und Sahelstaaten? Die Ermordung von vier französischen Touristen in Mauretanien durch mutmaßliche algerische Islamisten zu Weihnachten? Überall in der Europa zugewandten Nordhälfte Afrikas mehren sich solche gefährlichen Signale. Sarkozy und die Betrüger von "Arche de Zoé" sind im Begriff, einen riesigen Schaden anzurichten.
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