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Kommentar Abgesagter Euro-GipfelEin Chor der Scheinheiligen

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Der Refrain, die Griechen seien Schuld, erlaubt es, Griechenland neue Zugeständnisse abzuverlangen. Auch wird die Schuldfrage geklärt, falls das Land pleite geht.

D ie Griechen sind schuld. Dies ist der Refrain, auf den sich die Chefs der Eurogruppe geeinigt haben. Ein Krisentreffen der Finanzminister wird abgesagt? - Die Griechen sind schuld, denn sie haben noch nicht ihre Hausaufgaben gemacht. Die geplante Umschuldung stockt? - Die Griechen sind schuld, schließlich führen sie die Verhandlungen mit den Banken. Das Geld für das zweite Rettungspaket reicht nicht aus? - Die Griechen haben miserabel gewirtschaftet.

Der Refrain erfüllt zwei Zwecke: Erstens erlaubt er es, die Griechen am Nasenring über die Bühne zu ziehen und ihnen immer neue Zugeständnisse abzuverlangen. Zweitens geht es darum, schon mal die Schuldfrage zu klären, falls Griechenland doch noch pleite geht. Schaut her, wir haben ihnen so viele Chancen gegeben, beteuert Eurogruppenchef Juncker.

Doch diese Botschaft ist falsch, um nicht zu sagen verlogen. Denn zum einen scheitert die "Rettung" schon seit Monaten an der absurden Sparpolitik, die Merkel und die anderen Eurochefs Griechenland verordnet haben. Sie hat das Land in die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg geführt.

ist Korrespondent der taz in Brüssel.

Zum anderen hakt es nicht nur in Athen, sondern auch in Berlin, Den Haag und Helsinki. Deutschland, Finnland und die Niederlande - die letzten drei großen Euroländer mit Triple-A-Rating - weigern sich, ihren Teil zur Stützung Griechenlands beizutragen. Dieser Anteil müsste nämlich größer ausfallen als geplant. Statt 130 Milliarden werden für das zweite Rettungspaket mindestens 145 Milliarden Euro fällig. Doch das wollen die reichen Länder nicht zahlen.

Deshalb erfinden sie immer neue Tricks, um die überfälligen Beschlüsse zu vertagen. Und sie singen immer lauter "die Griechen sind schuld". Es ist ein Chor der Scheinheiligen.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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14 Kommentare

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  • V
    Valentin

    Vielen Dank an "Elsas Hempel" für den Link zum Offenen Brief von Mikis Theodorakis. Ich ziehe meinen Hut, auch wenn er natürlich unsäglich nationalistisch ist und auch die Nazivergleich einer verständlichen Verzweiflung entspringen. Ich hoffe, die Griechen stehen bald auf und jagen die Troika aus dem Land, oder noch besser, teeren und federn sie noch vorher.

     

    Schade, dass es bei uns in Deutschland wohl noch eine Weile geht, bis es uns so dreckig geht wie den Griechen. Und dann ist die Frage, wo sind unsere Helden, die sich aufraffen, das Volk zu einen im Kampf gegen diese Finanzmafia. Ich hoffe, ich werde noch nicht zu alt sein, um mitzukämpfen. Ich hoffe, es geht bald los.

  • EW
    einfache Wahrheit

    Die Art und Weise, wie auf den angeblich "reichen" (= nicht ganz so katastrophal verschuldeten) Nordeuropäern herumgehackt wird, ist eine erbärmlicher Versuch, von der einfachen Wahrheit abzulenken:

     

    Seit Griechenlands Beitritt zur EU 1981 hat das Land 100 Milliarden an (Struktur-, Regional-, Kohäsions-) Fördergeldern erhalten. Seit 2001 hat Griechenland von bis dahin unvorstellbar niedrigen Zinsen profitiert. Wie undankbar und selbstgerecht ist dieses Land, wenn seine Politiker nun einen Anspruch auf noch viel mehr Geld zu haben glaubt?

     

    Die Wahrheit ist denkbar einfach: von Ziegenkäse und Olivenöl allein kann man sich nicht den Lebensstandard eines reifen Industrielandes leisten.

  • KA
    keine Angaben

    @Peter Kloss

    Wenn Amerika nach 400 Jahren das europäische Joch los wird wie Griechenland das osmanische mit all seinen Kollaborateuren, dann wird ein freies Amerika auch 180 Jahre lang pleite sein.

  • H
    herbert

    Haltet die Schuldigen, Berufseuropäer wie Theo Waigel und Hans Eichel die politischen Entscheidungen entgegen der Handlungsempfehlungen renommierter Volkswirtschaftler getroffen haben und Griechenland den Beitritt ohne gültige Stabilitätkriterien ermöglicht haben.

  • A
    anke

    Korrektur: Was da gerade passiert, ist Kanibalismus aus ANGST vor dem Hunger. Seltsam eigentlich. Gilt Europa den nicht mehr einer der reichsten Kontinente überhaupt?

  • H
    Hans

    Griechenland scheitert ökonomisch, weil Merkel und Sarkozy es retten wollten, aber offenkundig nicht wußten und wissen, wie es geht. Mit einer Dauerpression der Wirtschaft funktioniert es jedenfalls nicht. Und mit immer neuen Konferenzen und Diskussionen, ob Athen nun Geld erhält oder nicht, ob das Land am XX. März oder Mai nicht mehr zahlen kann. Das ist alles Teufelszeug für die Märkte und wenn die nicht anfangen positiv zu reagieren, läuft gar nichts. Und genau danach sieht es jetzt aus.

    Immerhin ist man den Nicolas Sarkozy wohl bald los, aber Merkel leider nicht.

  • A
    anke

    Der "Chor der Scheinheiligen" heult den Mond an, scheint mir. Die Hunde beißen, wenn es ganz eng wird, immer den Letzten. Den Letzten der Meute, meine ich. Was da passiert, ist Kanibalismus aus Hunger.

  • EH
    Elsas Hempel

    Offener Brief von Mikis Theodorakis vom 12.02.2012:

    http://eida.matia.gr/2012-02/the-truth-about-greece-mikis-theodorakis/

  • D
    DagobertD

    Jede Pleite in der Welt führte in eine schlimme Rezession. Das zu verhindern, versprach kein EU-Politiker. taz-Experten ändern daran nichts durch ständige Wiederholung ihrer Dolchstoßlegende, erst die mit den Hilfsangeboten verknüpften Sparmaßnahmen hätten die Rezession verursacht.

  • PK
    peter kloss

    Griechenland „Das Land lebt seit seiner Geburt im totalen Bankrott“

    Das schreibt der französische Schriftsteller Edmond About - aber nicht heute, sondern schon 1858.

     

    Der französische Schriftsteller Edmond About notierte 1858 über die Situation in Griechenland:

    Griechenland ist das einzige bekannte Beispiel eines Landes, das seit dem Tag seiner Geburt im totalen Bankrott lebt. Wenn Frankreich oder England sich nur ein einziges Jahr in dieser Lage befänden, würden wir dort schreckliche Katastrophen erleben. Griechenland lebt nun schon seit zwanzig Jahren in Frieden mit einem Staatsbankrott. Alle griechischen Budgets, vom ersten bis zum bisher letzten, weisen ein Defizit auf.

    „Ohne irgendeinen Nutzen für das Land“

    Wenn in einem zivilisierten Land die Einnahmen nicht ausreichen, um die Ausgaben zu bestreiten, ist das Mittel einer Staatsanleihe im Innern vorgesehen. Dieses Mittel hat die griechische Regierung noch nie versucht, und der Versuch wäre auch erfolglos gewesen. Die Schutzmächte Griechenlands mussten schließlich die Zahlungsfähigkeit des Landes garantierten, damit das Land über eine Anleihe im Ausland verhandeln konnte. Die Mittel, die durch diese Anleihe zur Verfügung standen, wurden von der Regierung ohne irgendeinen Nutzen für das Land selbst verprasst; und nachdem das Geld einmal ausgegeben war, mussten die Garantiemächte aus purem Wohlwollen die Zinsen bedienen. Griechenland konnte sie überhaupt nicht mehr bezahlen.

     

    Heute verzichtet das Land auf jede Hoffnung, die Kredite jemals zurückzahlen zu können. Im Fall, dass die drei Schutzmächte in alle Ewigkeit für Griechenland weiterbezahlen, wäre das Land aber auch in keiner viel besseren Lage. Seine Ausgaben sind immer noch nicht durch seine Einnahmen gedeckt.

     

    Griechenland ist das einzige Land, in dem Steuern in Naturalien bezahlt werden. Das Geld ist auf dem Lande so rar, dass man sich auf diese Form der Steuererhebung herablassen musste. Anfangs versuchte die Regierung noch, die Steuer zu verpachten, aber die Bauern, die nur zaghaft davon Gebrauch machten, hielten ihre Verpflichtungen nicht ein, und der Staat, der hier keine Gewalt hat, besaß kein Mittel, sie dazu zu zwingen. Seitdem der Staat selbst die Steuern erhebt, sind die Kosten der Steuerverwaltung erheblich gestiegen, und die Einnahmen haben kaum zugenommen.

     

    Die Steuerpflichtigen machen das, was die Bauern machten: Sie zahlen einfach nicht. Die reichen Grundbesitzer, also die einflussreichsten Personen, finden leicht die Methoden, den Staat zu hintergehen, indem sie die Beamten entweder kaufen oder einschüchtern. Die Beamten sind schlecht bezahlt, ohne sichere Zukunft und müssen beim nächsten Ministerwechsel damit rechnen, entlassen zu werden; sie haben also nicht wie bei uns das Interesse des Staates im Auge. Sie sind nur bestrebt, sich Freunde zu machen, die Mächtigen bei Laune zu halten und Geld zu verdienen. Die kleinen Grundbesitzer, die also für die großen zahlen müssen, sind vor Beschlagnahmungen sicher, entweder durch einen mächtigen Freund oder durch ihre eigene Armut.

     

     

    In Griechenland ist das Gesetz niemals jene unerbittliche Person wie bei uns. Die Beamten hören sich die Steuerpflichtigen erst einmal an. Wenn man sich dann duzt und verbrüdert, gibt es immer einen Weg, sich zu verständigen. Alle Griechen kennen sich gegenseitig sehr gut und lieben einander wenig. Sie kennen auch kaum dieses abstrakte Wesen, das man "Staat" nennt, und das lieben sie überhaupt nicht. Und schließlich ist auch der Steuereinnehmer seinerseits vorsichtig: Er weiß, dass er niemanden gegen sich aufbringen darf, denn sein Heimweg führt ihn durch unwegsames Gelände, und wie leicht passiert da ein Unfall.

     

    Die nomadisierenden Steuerpflichtigen, also die Schäfer, Holzfäller, Köhler oder Fischer, machen sich einen Spaß daraus und rechnen es sich zur Ehre an, keine Steuern zu zahlen. Sie denken noch wie zu Zeiten der türkischen Herrschaft: Ihr Herrscher ist ihr Feind, und die schönste Pflicht des Mannes ist, sein Geld zusammenzuhalten. Deshalb stellten die Finanzminister bis 1846 immer zwei Einnahme-Budgets auf. Das eine, das amtliche Budget, verzeichnete die Summen, die die Regierung im Jahr einnehmen sollte und auf die sie einen Rechtsanspruch hatte; das andere, das Verwaltungsbudget, verzeichnete die Summen, die die Regierung einzunehmen hoffte.

     

    Und da Finanzminister dazu neigen, sich im Interesse des Staates bei der Berechnung der wahrscheinlichen und hoffentlich tatsächlichen Einnahmen zu irren, hätte man eigentlich ein drittes Budget gebraucht, das die Summen enthielte, die die Regierung mit Sicherheit würde erfassen können. Ein Beispiel: Im Jahr 1845 hatte der Finanzminister für Olivenernte auf öffentlichem Grund und Boden, der in der Regel an private Bauern verpachtet ist, in das amtliche Budget eine Summe von 441.800 Drachmen eingesetzt. Er hoffte (im Verwaltungsbudget), dass der Staat glücklich sein konnte, von dieser Summe wenigstens 61.500 Drachmen einzunehmen.

    Aber auch diese Hoffnung war überzogen, denn im Jahr zuvor hatte der Staat hierbei nicht 441.800 Drachmen eingenommen, auch nicht 61 500 Drachmen, sondern bloße 4457 Drachmen und 31 Centimes, also etwa ein Prozent der Summe, auf die er zugreifen konnte. Im Jahr 1846 stellte dann das Finanzministerium gar kein Verwaltungsbudget mehr auf, und seitdem ist diese Übung in Vergessenheit geraten. Der Staat will gar nicht mehr vorhersagen, dass das, was ihm gebührt, nicht gezahlt wird. Die Vorschüsse der drei Schutzmächte für Zinsen und Tilgung der Auslandsschulden belaufen sich auf jährlich 3.835.474 Drachmen und 58 Lepta.

     

    Dieses Einkommen fehlt Griechenland möglicherweise, wenn es eines Tages seinen Wohltätern gegenüber zu viel Undankbarkeit zeigt. Die Kosten Griechenlands setzen sich wie folgt zusammen: Schulden der öffentlichen Hand (interne und Auslandsschulden), die Gehälter der Staatsbeamten, die Abgeordnetendiäten, die Kosten der Ministerien, der Verwaltung und noch einiger anderer.

    Einer Regierung, die sich weder ihrer Macht sicher ist noch ihrer Kreditwürdigkeit, noch ihrer Anhänger oder der Wirtschaftskraft des Landes, würde ich raten: "Legen Sie eine Anleihe auf!"

    Man leiht allerdings nur Regierungen, die man für gefestigt hält. Man leiht nur einer Regierung, die man für ehrlich genug hält, ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Man leiht nur einer Regierung, die man erhalten möchte. In keinem Land der Welt hat je die Opposition die Staatskasse aufgefüllt. Schließlich: Man leiht nur, wenn man etwas zu verleihen hat.

  • RT
    reiner tiroch

    Griechenland ist ein willkommenes Opfer um von der Monsterkrise elegant abzulenken, die laut der verlogenen Politikern beherrschbar sei. Warum wurde dann der ESM vorgezogen der Länder und Banken retten soll? Von den anderen Pleitekandidaten hört man nichts mehr, da Schweigen verordnet wurde, die sich dennoch am Schirm bereits anstellen, um ebenfalls gerettet zu werden. Unsere retter sind doch genial.

  • L
    logo

    Natürlich wird Griechenland von seinen Währungspartnern in die Pleite entlassen werden, sobald die Plutokraten genug Geld umgeschichtet haben.

  • I
    imation

    "Die Griechen sind schuld."

     

    Natürlich!

     

    Oder hat irgendjemand Griechenland gezwungen sich in die Euro-Zone zu schummeln und Kredite ohne Ende anzuhäufen?

    Die Scheinheiligen sind die Griechen die die Schuld daran überall (vor allem in deustchland) suchen, nur nicht zu Hause.

  • V
    vic

    Es ist doch ganz einach:

    Geht`s gut (was ich nicht glaube)- war es Merkel, geht`s schief- waren`s die Griechen.