Kommentar Abgeordneten-Diäten: Privileg verpflichtet

Die Abgeordneten müssen begreifen, wie gut es Ihnen geht: Mit ihren Gehalts- und Rentenbezügen gehören sie zu einer schmalen Elite.

Eine hübsche Gehaltserhöhung: Plus 16 Prozent in nur drei Jahren wollen sich die Bundestagsabgeordneten genehmigen. 8.159 Euro im Monat würden sie ab 2010 kassieren. Bei Normalverdienern kommt da sofort ein staunendes Sehnen auf, liegt doch das Durchschnittseinkommen nur bei etwa 2.500 Euro brutto monatlich. Diese Diskrepanz hinterlässt ein ungutes Gefühl: Die Parlamentarier verstehen sich zwar als Vertreter des Volks, aber das ist offenkundig eher ideell gemeint - jedenfalls nicht ökonomisch. Mit ihrem Gehalt gehören die Abgeordneten zu einer schmalen Elite.

Es ist auch gar nicht verwerflich, dass die Parlamentarier Privilegien genießen. Schließlich verrichten sie einen sehr anspruchsvollen und auch anstrengenden Dienst. Da ist eine höhere Entlohnung schon in Ordnung. Daher sind es auch gar nicht die Privilegien selbst, die die Bevölkerung so erregen, wenn eine neue Diätenerhöhung geplant ist. Eher ist es die Selbstverständlichkeit, mit der viele Abgeordnete diese Privilegien beanspruchen. Es fehlt die Dankbarkeit.

Man könnte auch sagen: Es fehlt die Empathie. Oder auf Normaldeutsch: Die Abgeordneten heben ab. Sie halten es für völlig selbstverständlich, dass sie selbst gegen alle denkbaren Risiken des Lebens abgesichert werden müssen - während sie dem Rest der Bevölkerung sehr viel Flexibilität und Bescheidenheit zumuten. So dürfen Parlamentarier schon mit 57 in Pension gehen, während jeder Normalbürger Abschläge hinnehmen muss, wenn er nicht bis zum regulären Rentenalter arbeitet. Auch muss ein Abgeordneter nur ganze sechs Jahre im Bundestag sitzen, um später eine Pension zu beziehen, die höher ist als eine Durchschnittsrente, für die man 45 Jahre lang einzahlen musste.

Wenn die Wähler fähige Abgeordnete ins Parlament schicken wollen, werden sie akzeptieren müssen, dass Leistung ihren Preis hat. Insofern sind Privilegien für die Parlamentarier berechtigt. Aber der Witz ist: Wirklich fähig sind nur Abgeordnete, die ihre Privilegien immer als Privilegien begreifen - und damit die Realität der Bevölkerung im Blick behalten.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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