piwik no script img

Kommentar ANC-SpaltungDie Regenbogennation wird bunter

Kommentar von Martina Schwikowski

Die Abspaltung vom ANC läutet nicht nur den Abschied von der alten Bewegungspartei ein, die an der Macht deutlich an Kraft verloren hat. Die neue Partei könnte sich als Alternative zum ANC etablieren.

Was als Stimmungstest gedacht war, geriet überraschend zu einem historischen Moment. Ermutigt durch die starke Unterstützung, die sie von all jenen ANC-Mitgliedern bekam, die mit ihrer aktuellen Regierung und dem neuem ANC-Präsidenten Jacob Zuma extrem unzufrieden sind, beschloss eine Gruppe noch am ersten Abend der ANC-Nationalversammlung, sich von der regierenden Bewegungspartei abzuspalten. Die Aussicht, Zuma könne trotz seines Mangels an Integrität bei den allgemeinen Wahlen im kommenden April zum Staatsoberhaupt gewählt werden, hatte wohl den letzten Anstoß zu diesem Schritt gegeben.

Die neue Partei kann in ein beträchtliches politisches Vakuum vorstoßen - und sie könnte von vielen Gruppen im Lande Zulauf erhalten. Nicht nur der aufstrebende schwarze Mittelstand, der das Vertrauen in die derzeitige Führung des Landes verloren hat, sucht eine neue politische Heimat. Auch viele der weniger wohlhabenden Schwarzen sind nicht einverstanden mit der Art, wie Mbeki abgesetzt wurde, und dem neuen Führungsstil im ANC, der sich durch Respektlosigkeit gegenüber politisch Andersdenkenden auszeichnet. Auch weiße Wähler, denen die einzige liberale weiße Oppositionspartei nur wenig zu bieten hat, könnten auf diesen Zug aufspringen. Das politische Spektrum der "Regenbogennation" wird damit endlich bunter.

Die Abspaltung vom ANC läutet nicht nur den Abschied von der alten Bewegungspartei ein, die an der Macht deutlich an Kraft und Glaubwürdigkeit verloren hat. Die neue Partei könnte sich auch bald schon als wichtigste Alternative zum ANC etablieren und diesem die bisherige Zweidrittelmehrheit kosten. Damit ist Südafrika auf dem besten Weg in eine Multiparteiendemokratie - und zumindest auf der Ebene der Provinzen könnte es bald zu interessanten Koalitionen kommen.

Dabei ist noch offen, welche Inhalte die neue Partei genau vertreten wird. Doch schon jetzt steht sie für einen Sieg der Demokratie in Südafrika, der für den Rest von Afrika beispielhaft ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Auslandskorrespondentin Südafrika
Jahrgang 1960, lebt seit 1995 in Johannesburg, Südafrika. Sie ist TAZ-Korrespondentin für das südliche Afrika und freie Autorin für Zeitungen, Magazine sowie Buchverlage und arbeitet frei als TV-Produzentin und Medientrainerin in der Region.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • SA
    Sven Aretz

    Verfrühter Jubel: Wie kann eine neue Partei in Südafrika ein Sieg der Demokratie in diesem Land sein? Noch dazu ein Sieg, der für den Rest von Afrika beispielhaft sein soll? Auch in anderen afrikanischen Ländern, zum Beispiel in Malawi und Namibia, gibt es die Mehrparteiendemokratie. Allerdings wählen die meisten Wahlberechtigten dort stark nach Stammeszugehörigkeit (Namibia) oder nach Region (Malawi) - hier spielen traditionelle Machtgefüge und Bindungen eine maßgebliche Rolle. Dieses Verhalten ist offenbar noch ausgeprägter, als bei uns in Deutschland, etwa in Bayern. In Südafrika wird für die neue Partei wichtig sein, ob sie ein schlüssiges und attraktives Programm aufstellen und verfolgen kann, mithin, welche Inhalte sie vertreten wird und ob diese ihr politisches Handeln dominieren. Entscheidend dafür, ob die Demokratie in Südafrika tatsächlich siegt, wird sein, ob die Wahlberechtigten dann mit dieser neuen Alternative vor Augen ihre Wahlentscheidung von diesen Inhalten abhängig machen, oder ob sie auschließlich Personen wählen, vielleicht sogar nach Stammeszugehörigkeit, wie bei der Inkhata-Partei. Denn wenn sich hier doch nur wieder einige der Großen ihre persönliche Partei schaffen, ganz auf sich selbst zugschnitten, hat das mit Demokratie nichts zu tun. Das mussten wir bei Simbabwes Robert Mugabe erleben. Ferner wird entscheidend sein, wie der ANC als aktuelle Regierungspartei mit einem eventuellen Machtverlust umgeht. Wird er so brutal an der Macht kleben wie Robert Mugabe und seine Zanu-PF oder einen friedlichen und demokratischen Machtwechsel ermöglichen. Diese Bewährungsprobe steht dem ANC, steht Südafrika noch bevor. Erst dann erweist sich wirklich, ob die Demokratie in diesem Land obsiegt.