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Kommentar AKWEin Krümmel reicht der SPD nicht

Matthias Lohre
Kommentar von Matthias Lohre

Die SPD sieht die Pannen im AKW KRümmel als unverhofftes Wahlkampfgeschenk. Doch als alleinige Profiteure der Diskussion könnten sich die Grünen herausstellen.

Wer hätte das vor zwei Wochen gedacht? Ein Kurzschluss im Transformator eines Atomkraftwerks versorgt den zuvor lahmen SPD-Wahlkampf mit Energie. Seither schimpfen Umweltminister, Kanzlerkandidat und Parteichef dermaßen auf die "Sprachrohre der Atomlobby" bei der CDU, als könne dieses Thema allein die Sozialdemokraten aus ihrem Umfragetief retten. Doch was manchem SPDler heute als unverhofftes Wahlkampfgeschenk erscheint, könnte sich schon bald als Niete erweisen.

Schon mühen sich Unions-Länderfürsten wie Ole von Beust bei einem argumentativen Spagat: Ja zur Kritik am Kraftwerksbetreiber Vattenfall. Nein zum Infragestellen der Atomkraft. Die Bundeskanzlerin versucht sich herauszureden mit dem Hinweis, längere Laufzeiten für "sichere" Meiler seien möglich. Die Union fürchtet, beim Gedanken an unsichere Atomkraftwerke könnten viele Bürger sofort ihre Partei vor Augen haben. Die geschundene SPD sieht ihre Chance gekommen, sich endlich bei einem emotionalen Thema als Alternative zur Koalitionspartnerin darzustellen. Doch was soll ihr das bringen?

Dass die Union die Laufzeiten für Atomreaktoren verlängern will, ist nicht neu. Wähler wird die SPD also deswegen kaum hinzugewinnen. Zudem sind es noch zweieinhalb Monate bis zur Bundestagswahl. Vattenfall müsste schon so freundlich sein, einen weiteren Störfall zu produzieren, damit der SPD ihr spaltbares Material bis zum 27. September erhalten bleibt.

Einen Gefallen immerhin könnte Vattenfall mit seinem miserablen Krisenmanagement der SPD getan haben: Weil der Atomausstieg Konsens zwischen den einander herzlich abgeneigten Parteiflügeln ist, ließen sich so sozialdemokratische Basis und Stammwähler leichter mobilisieren.

Als alleinige Profiteure der erneuten Diskussion könnten sich die Grünen herausstellen. Wenn die Debatte sich wider Erwarten bis in den Herbst hinzöge, gäbe dies Trittin und Künast Auftrieb. Sie rufen noch forscher nach der sofortigen Schließung von acht Atomreaktoren, als es der forsche Umweltminister vermag. Dies könnte die SPD die entscheidenden Stimmen kosten, die sie braucht, um die schwarz-rote Koalition fortzusetzen. Und das wäre dann tatsächlich eine erstaunliche Folge eines Kurzschlusses.

Wahrscheinlich werden die tatsächlichen und befürchteten Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise am Wahltag den Ausschlag geben. Und das hieße: Die SPD müsste ohne Wahlkampfwunder versuchen, ihrem Umfragetief zu entkommen. Und dies wäre für die orientierungs- und ratlose SPD der größte anzunehmende Unfall.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.

5 Kommentare

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  • IN
    Ihr Name Reinhold Schrader

    Betr.. ATOMKRAFTWERKE, speziell AKW Krümmel

     

    1) Es gibt generell keine sichere Technik, es gibt für die verschiedensten technischen Einrich-tungen und Produkte nur unterschiedliche Ausfallwahrscheinlichkeiten mit unterschiedlichen Risiken und Folgen. Welches diese auch immer sein mögen, keine Schadensfolge ist für die Bevölkerung so gravierend und langanhaltend, wie ein Reaktorunfall.

    2) Selbst ohne GAU sind die Folgen der Atomenergienutzung schwerwiegend, immens kos-tenträchtig, und wie Asse uns lehrt, nicht in den Griff zu bekommen. Unseren Kindern wird schon jetzt eine atomare Altlast hinterlassen, gegen die jede Giftmüllkippe das reinste Erho-lungsgebiet ist. Atomstrom wäre unbezahlbar, wenn die EVUs über alle Zeiten alle Folgekos-ten selber tragen müßten.

    3) Im konkreten Fall wird menschliches Versagen als Ursache angegeben, eine Überwachungseinrichtung sei nicht installiert worden und der Kraftwerksleiter wurde gefeuert. Wie schön, man hat einen Sündenbock gefunden und vom eigentlichen Problem - der unzuverläs-sigen und überalterten Technik - abgelenkt. Und was ist, wenn in anderen, weitaus gefährlicheren Situationen menschliches Versagen eintritt? Wer wird dann gefeuert? Vermutlich wir alle!

    4) Wenn die Befürworter der AKWs in der Schule besser aufgepasst hätten, hätten sie ge-lernt, daß Wasser, wovon wir wirklich reichlich haben, mit Hilfe der Elektrizität in seine Be-standteile, Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt werden kann, zwei transportable Gase, welche an jeder beliebigen Stelle in Wärme-Kraftwerken verbrannt werden können und dabei entsteht – Wasser! Die benötigte Elektroenergie läßt sich aus Windkraft und Sonnenenergie – ohne den Umweg über Photovoltaik, das ist Spielerei – gewinnen. Wenn die Kosten und die For-schungsarbeit, statt für die Entwicklung der sogenannten „friedlichen“ Atomenergie, für diese Projekte aufgewendet worden wären, stünden wir heute besser da.

    Aus 1) bis 3) ergibt sich: ABSCHALTEN!! Nicht nur Krümmel, denn Krümmel ist überall!

    Reinhold Schrader

    Lauenburg

  • J
    Jochen

    @BleedRunner:

    Die "ehrgeizigen Ziele beim Klimaschutz" liegen aber weit (zu weit, zu niedrig) in der Zukunft. Die Situation "im Moment" ist, dass selbst wenn wie letztes Jahr 7 AKW gleichzeitig stillstehen, immer noch jede Menge Strom exportiert wurde. Schreibt man nur die Steigerungsraten der Erneuerbaren Energien linear fort, und berücksichtigt mal das Einsparpotential von 30% (standby etc.) ist die Krückentechnologie Atomkraft mit ihren Kosten (z.B. Endlagerung) und ihrem Gesundheitsrisiko nicht zukunftsfähig.

  • B
    BleedRanner

    Wieso argumentativer Spagat? Wenn man mal die ideologischen Scheuklappen ablegt, muss man zugeben, dass man im Moment ohen Atomkraft die ehrgeizigen Ziele beim Klimaschutz nicht erreicht.

     

    Hier liegt der eigentliche Spagat: zwischen Grünem Anspruch und fehlenden pragmatisch- technischen Vorschlägen von der grünen Seite.

  • O
    oswald

    Atomkraft für Anfänger:

     

    "Wir bauen uns ein Atomkraftwerk"

     

    schau mal:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=BtRUrxVNC6k

  • KS
    kleiner Spinner

    Wieso Niete? Jede Stimme links von der CDU (na gut, nicht zu links..) bringt der SPD Macht.