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Kommentar AKP-VerbotJustizputsch der Betonkemalisten

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Es ist absehbar, dass die Türkei unter der AKP-Regierung konservativer und religiöser wird. Doch diese Diskussion gehört nicht in den Gerichtssaal.

Die Auseinandersetzung um die Zukunft der türkischen Gesellschaft strebt einem neuen Höhepunkt zu: Der Generalstaatsanwalt fordert ein Verbot der Regierungspartei AKP, weil sie Kopftücher an den Universitäten zugelassen habe. Letztlich erhebt der Jurist damit den Vorwurf, Ministerpräsident Tayyip Erdogan, Staatspräsident Abdullah Gül und andere AKP-Führungskader würden zielstrebig auf einen islamischen Gottesstaat hinarbeiten.

Bild: taz

Jürgen Gottschlich ist Türkei-Korrespondent der taz und lebt in Istanbul.

Die Anklageschrift liest sich nicht nur wie eine politische Streitschrift - sie ist es im Kern auch. Doch worüber sich durchaus diskutieren lässt, dürfte keinesfalls zur Grundlage eines Verbotsverfahrens werden. Mit der Haltung "Was uns nicht passt, wird einfach verboten" desavouiert die Staatsanwaltschaft die demokratische Auseinandersetzung mit der AKP. Noch einmal zeigt sich, wie autokratisch die Betonkemalisten der Türkei agieren. Damit gerät der Konflikt damit auf eine sehr gefährliche Ebene.

Ein Verfassungsgericht, das die Absetzung von demokratisch gewähltem Staatspräsident und Ministerpräsident verfügen wollte, würde das gesamte Institutionengefüge des Landes ins Wanken bringen. Es käme einem Justizputsch gleich. Außerdem beschert der Verbotsantrag bereits jetzt schon der AKP eine Opferrolle, die sie längst nicht mehr verdient. Bis auf einige Bastionen im Militär und der Bürokratie hat die AKP nach mittlerweile sechs Jahren an der Regierung bereits etliche Schlüsselstellungen besetzt - und auch der Austausch in den höchsten Richterposten des Landes dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein.

Es ist absehbar, dass die Türkei unter der AKP-Regierung konservativer und religiöser wird. Daher sollte durchaus öffentlich debattiert werden, ob die Partei tatsächlich die Einführung der Scharia zum Ziel hat. Doch diese Diskussion gehört nicht in den Gerichtssaal. Mit den Mitteln der politischen Justiz lassen sich die Konflikte nicht lösen. Das wird wohl auch die Entwicklung der kommenden Tage zeigen. Die demokratische Entwicklung der Türkei ist weit genug, dass sie eine solche Justiz nicht mehr verdient. JÜRGEN GOTTSCHLICH

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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