Kommentar – vgl. S. 23: Sparen als Chance
■ Der Rotstift provoziert das Theater
Wann war Theater in Bremen zum letzten Mal so mitreißend? Bei welcher Inszenierung hat das Publikum in den letzten Jahren so herzerfrischend getobt und gepfiffen wie gestern beim ersten Auftritt von Kultursenatorin Bringfriede Kahrs auf der Bühne am Goetheplatz?
Die Drohung mit dem Rotstift scheint das einzige Stück zu sein, das die Kundschaft des Kulturbetriebs noch wirklich provoziert. Dabei ist das Thema mit dem angedrohten Zehn-Prozent-Einschnitt ins Theaterbudget noch lange nicht ausgereizt. Welchen Theatersturm würde erst die Ankündigung entfachen, die Eintrittskarten für Oper, Schauspiel, Tanz künftig statt für 20 oder 40 für kostendeckende 200 oder 400 Mark zu verkaufen?
Bringfriede Kahrs mag vom Theater nicht viel verstehen. Mit ihrer Bemerkung über die „geringen Zuschauerzahlen“ und das „Mißverhältnis“ zwischen KünstlerInnen und Apparat scheint sie die wunde Stelle aber ziemlich genau getroffen zu haben. Oder warum heult die Szene so bleidigt auf anstatt sich mit überzeugenden Gegenargumenten zu wehren? Natürlich: Wer sich in seiner Kunst am liebsten von keiner Öffentlichkeit stören lassen will, dem geht die ganze Spardebatte nur noch auf die Nerven. Dabei könnte sie auch eine produktive Seite haben: als Anlaß, endlich in Bremen wieder engagiert über Kultur zu debattieren. Dirk Asendorpf
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