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■ KolumneAlternative: Selbstausbeutung

Martin Newell ist ein Guter. Wer heutzutage verständlicherweise „Britpop“für ein Schimpfwort hält oder für die Bezeichnung der traurigsten aller musikalischen Haltungen – jene Mischung aus verzweifelter Vergangenheitsverklärung und Wollen-aber-nicht-können –, den könnten Newells Songs zu einem milderen Urteil über das Schaffen des Empires bewegen.

Daß sie aber überhaupt auf Tonträger dokumentiert werden, liegt an einem jungen Fan aus 29439 Lüchow, der das Label Jarmusic gegründet hat, das sich auf Veröffentlichungen spezialisiert hat, die man als Ausnahmen von der Britpop-Regel betrachten darf. Neben etlichen Platten von Newell, solo oder mit The Cleaners From Venus, gibt es dort noch CDs und LPs aus dem Umfeld der legendären Deep Freeze Mice, etwa von The Creams oder Yukio Yung. Und weil Jarmusic ein Fan-Label ist, wird hier so respekt- und liebevoll ediert, wie man es ansonsten gerade noch von der Bremer Bear Family kennt. Da lachen einen farbenfrohe Cover auf dicker Pappe an, die Musik ist auf extradickem Vinyl gepreßt, die CDs kommen gerne im Drei-Zoll-Sonderformat, und zur Krönung gibt es eine Sieben-Zoll-Box der Cleaners From Venus mit mehreren Singles, einer Kassette und Tourtagebuch.

Kein Wunder, daß der Jarmusic-Betreiber heute pleite ist. Völlig abwegig die Vorstellung, die share-holder-value-bestimmte Plattenindustrie würde Musik wie die von Martin Newell herausbringen oder die editorische Praxis von Jarmusic übernehmen. Viel wahrscheinlicher, daß demnächst eingeführt wird, was in der Format-Radiolandschaft bereits üblich ist: Fertige Platten werden einer Runde von Testhörern vorgespielt, und wenn die den Daumen senkt, kommt es gar nicht erst zur Veröffentlichung. Einzige Alternative: fan-betriebene und selbstausbeuterische Labels.

Der Zustand der Musikindustrie ist natürlich nur ein weiterer Beleg für die Unzulänglichkeit des Kapitalismus'. Man darf eben Bereiche wie die kulturelle Grundversorgung nicht der Privatwirtschaft überlassen. Zumindest um eine öffentlich-rechtliche Alternative hätte man sich frühzeitig bemühen müssen. Dann hätte man jetzt immerhin sowas wie Äquivalente zu den Dritten Programmen, Arte-Themenabenden in der Plattenindustrie. Und ein engagierter Mann wie Joachim A. Reinbold von Jarmusic säße auf einem angemessen dotierten Direktorsposten mit üppiger Altersversorgung.

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