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Kolumne ZumutungMach das weg!

Anja Maier
Kolumne
von Anja Maier

Muss man wirklich Kinder und die nervigen Auswüchse ihrer Menschwerdung ertragen? Na, raten Sie mal!

Ob hier noch ein Platz frei ist, für ihr gerade ausrastendes Kind? Ui, äh, lassen Sie mich überlegen... Foto: ap

L angsam wird das zur Gewohnheit. Was stört, muss weg. Gemeint sein kann alles, was geeignet erscheint, meinen Morgen/meine Woche/mein wertvolles Leben in irgendeiner Weise ungünstig zu beeinflussen.

Das ist irgendwie anstrengend - kann das nicht weg? So in etwa mag das Bordpersonal eines United-Fluges gedacht haben, als kürzlich ein zwei Jahre alter Junge im Flieger keine Ruhe geben mochte. Er heulte rum, machte Sperenzchen, kurzum er tat nicht, was doch jeder vernünftige Mensch in einem Flugzeug zu tun gehalten ist: sich mit Gurten festschnüren lassen und dann Ruhe bewahren.

Kann das nicht weg?, dachte man sich also auf dem Flughafen von San Francisco, dieses Kind nervt. Kurzentschlossen bat man die mitreisende Mutter, den Flieger mitsamt ihrer Brut zu verlassen. Blöd für die Airline, dass diese Mutter eine Musikerin war, die den Vorgang nicht nur twitternd der Öffentlichkeit zur Kenntnis brachte, sondern lustigerweise auch noch in einer Band mit dem sprechenden Namen “Walk off the Earth“ singt. Zum Verlassen eben dieser Erde kam es also nicht, statt dessen durften Mutter und Sohn noch ein wenig die kalifornische Sonne genießen.

Weiß Gott, Kinder sind in der Lage, jedes noch so gute Nervenkostüm binnen kürzester Zeit kleinzuhäckseln. Immer mal wieder pflegt der Nachwuchs das zu tun, was wir Erwachsenen uns mühsam abgewöhnt haben: rumschreien, wild zappeln und gutes Zureden komplett ignorieren. Auch deshalb sind wir dankbar, wenn Kinder ihre Anfälle diskret, im Schutz der elterlichen Wohnung kriegen. Aber mitunter treffen wir es noch an im öffentlichen Raum: das ungezogene Kind. Und ja, dann denke auch ich schon mal: Kann das nicht weg?

Nein.

Kinder und die durchaus auch nervigen Auswüchse ihrer Menschwerdung zu ertragen, gehört zur gesellschaftlichen Grundkompetenz. Schon um ihren biestig guckenden Müttern und Vätern zu beweisen, dass ich als sozial kompetente Mitbürgerin es sehr wohl aushalten kann, dass Mama oder Papa trotz des kindlichen Getöses seelenruhig ihre Emails checken oder in der aktuellen Nido nachlesen, wie Erziehung funktioniert (Titelthema im Juniheft: „Ich zähle bis drei!“). Und wenn Frieda und Joost ungestört ihre Gummistiefel an meiner Jeans abzustreifen versuchen, bin ich ja immer noch in der Lage, den Ort des Geschehens deeskalierend zu räumen.

Vielleicht sollten wir wieder ein bisschen ertragen üben. Denn wo kämen wir hin, wenn alles aus dem Sichtbereich verbracht würde, was uns irritieren könnte? Weil wir aktuell nicht bereit dafür sind. Familien dürften dann nur noch in Schweigemarsch-Formation zügig die Innenstädte queren. Hunde könnte man auf ihrem Weg zur Kackwiese in schwere Geschirre sperren. Behinderte würden in verdunkelten Bussen von der Ergotherapie ins Heim gefahren. Antifeministische Journalistinnen müssten ihre Schreibtische räumen und dennoch ertragen, dass männliche Kollegen meinen, sich schützend vor sie werfen zu dürfen.

Dieses neue Das-soll-weg würde aus uns lauter kleine Lutz Bachmanns machen – das Pegida-Führerchen definiert ja auch gern, wer in seinem Freistaat Sachsen leben soll. Und wer nicht. Bachmanns Hund heißt übrigens Bärbel. Blöder Name. Stört mich. Kann der nicht weg?

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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4 Kommentare

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  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "Menschwerdung" - egozentrisch und systemrational-bewußtseinsbetäubt dem Zeitgeist / der ignoranten Arroganz / dem geistigen Stillstand / der gebildeten Suppenkaspermentalität der kreislaufend-funktionalen "Individualbewußtheit" angepaßt, daß ist hier der Fehler im Artikel / in der Konfusion zur profit- und konsumautistischen Überproduktion von KOMMUNIKATIONSMÜLL!

  • Ich finde diesen Artikel sehr polemisch und überspitzt. Und wie so oft, ist kennen wir hier auch nur eine Version der Geschichte . Was wenn die Mutter gar kein Interesse daran hatte , dass ihr Kind sich ruhig verhält? Was wenn die Mutter stur und nicht zur Einsicht bereit war? Was wenn die Mutter vor die Entscheidung gestellt wurde, entweder ihr Kind "ruhig zu stellen" oder aber das Flugzeug zu verlassen? Und sie sich eben für letzteres entschieden hatte. Rein hypothetisch!!! Ich habe selbst 3 Kinder, die alles andere als immer brav und schon gar nicht ruhig sind. Wir fahren viel Bahn und ich halte die Kinder immer dazu an, die anderen Fahrgäste nicht zu stören . Als sie kleiner waren habe ich mich mit ihnen beschäftigt damit sie still waren. Hier steht natürlich die Mutter in der Verantwortung.

  • Ich bin auch dafür, dass alle Rauchverbote in Flugzeugen wieder aufgehoben werden. Und nicht nur da.

     

    Etwas Toleranz wäre angenehm.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    So einfach geht es dann doch nicht. Zunächst ist man geschockt über die Meldung, dass Mutter und Kind das Flugzeug haben verlassen müssen. Doch man sollte sich vor zu schnellem Urteil hüten: wenn das Kind nicht angeschnallt ist und durch den Flieger läuft bei Take-Off oder Landing, dann ist das ganz und gar nicht akzeptabel. Es gehört eben auch zur Menschwerdung, sich Erfordernissen anpassen zu lernen. Das gilt auch für die Mutter. Gequengel während des Fluges und Herumgehopse kann/muß man dulden, doch wenn es um die Sicherheit geht, dann hört der Spaß auf. Als Verantwortlicher (und ich weiß sehr genau wovon ich rede) hätte ich ebenfalls das De-Boarding angeordnet, kompromißlos. Wohlgemerkt: es geht nicht um Geschrei oder Unbequemlichkeiten, es geht um die Sicherheit aller an Bord!