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Kolumne ZeitschleifeDer Schlaf der Vernunft gebiert Unsinn

Übernächtigtes Kolumnieren - Segen oder Fluch? Drei Diskussionsgrundlagen.

Bild: privat

Josef Winkler (35) lebt und arbeitet, was sein Nervenkostüm und Zeitbudget nicht unerheblich in Anspruch nimmt, in München und Palling. Hobbies: Zeichnen, Tiere, Musik, Nichtschwimmen.

Kennen Sie das auch? Sie sitzen nachts allein im Zimmer und hören so ein Fauchen vor dem Fenster, und Sie sind grad dabei, Sachen aufzuschreiben, und wollen das mit dem Fauchen am Fenster auch notieren, und Sie fangen an, es aufzuschreiben, und dann halten Sie inne, weil Sie plötzlich wissen: In dem Moment, da ich den Satz fertig geschrieben habe, kommt der Bogeyman zum Fenster rei … AAARRRGGHHH!!!

Kennen Sie nicht? Äh. Nein, ich auch kaum.

Aber kennen Sie das: Sie sind für ein verlängertes Wochenende daheim und sitzen auf einer Couch mitten im weitläufigen Garten Ihrer Mutter, und es ist nach Mitternacht und stockdunkel ringsherum und hinter dem Gartenzaun Wiesen und Wald und ein Konzert von komischen Geräuschen, und Sie sind grad dabei, Sachen aufzuschreiben, und der Bildschirm des Laptops vor Ihnen ist die einzige Lichtquelle weit und breit, und Ihnen wird plötzlich klar, dass jedes fiese Viech, jeder sieche Guhl, der da aus der pechschwarzen, sternlosen Finsternis auf Sie zuschleicht, genau sieht, wo Ihre Birne ist - Stichwort: Präsentierteller -, während Sie gar nichts sehen, als Sie, geblendet vom grellweißen Word-Dokument, den Blick heben und den hellen Schemen anblinzeln, der sich links hinter dem Bildschirm aus der bibelschwarzen Nacht schält und jetzt die Hand, oder was auch immer es da hat, nach Ihnen ausstreckt, aber dann ist da doch nichts, und dann hüpft die Katze zu Ihnen auf die Couch und macht sich lang und schnurrt, und jetzt fühlen Sie sich sicher; so ein Tier hat ja eine extrem feine, bis ins Übersinnliche hinüberreichende Sensorik, das würde sich hier nicht so sorglos herschmiegen, wenn da draußen sieche Guhle herumstolpern würden, und im nächsten Moment verstummt das Schnurren, die Katze reckt den Kopf, starrt angespannt über Ihre Schulter in das dunkelschwarze Nichts, springt auf und stürzt über die Lehne der Couch davon.

Kennen Sie nicht? Ich? Ja.

Oder kennen Sie das: Sie sind eine junge Frau, lange, blonde Haare, etwas rehleinhafter Typ, mit dem Cabriolet unterwegs. Obwohl es auch sein kann, dass es nur ein Golf ist. Sie sind beim Tanken auf weiter Prärie, aber in einer Art Kiesgrube. Sie tanken, schlendern herum, plötzlich wird gehupt, und Hektik ist da, und Sie wissen auf einmal, dass der Laden gleich in die Luft fliegen wird. Das wissen Sie, weil das Setting auf einmal ein Filmtrailer ist, mit einem Off-Kommentar, den Sie zwar nicht hören und verstehen, aber als mediengeschultes Individuum wissen Sie, dass der Dramaturgie einem solchen Filmtrailer gemäß jetzt gleich etwas Unschönes passieren wird, und Sie bekommen Schiss und hüpfen in ihr Cabriolet, und drüben sehen Sie schon Benzin spritzen, weil ein Typ beim Tanken Mist baut. Sie fahren gegen eine lange Schlange von Autos und Lastern, die nach vorne drängt, und sind gefasst darauf, dass jeden Moment - nein, nicht die Tankstelle explodiert, obwohl Sie wissen, dass GENAU das passieren wird, sondern dass die von der Tankstelle denken könnten, dass Sie abhauen wollen, ohne zu zahlen, und Ihnen jemand hinterherruft oder -läuft, tut aber keiner, und Sie fahren 100 Meter weg und parken sich hinter einen Kieshaufen und Sie fühlen den dramatischen Off-Kommentar, aber Sie hören und verstehen nichts, und dann gibt es eine irgendwie total lahme Explosion, es ploppt nur. Im nächsten Bild sind Sie nackt im Wasser und lassen sich hinter so einer Wasserpflanze oder wat Wasser eines kleinen Wasserfalls übers Gesicht laufen, und Sie können sich das nur so erklären, dass Sie, offenbar durch die Explosion traumatisiert, so amnesiemäßig in der Wildnis unterwegs sind und offenbar vermisst Sie niemand, weil Ihr Auto nicht gefunden wurde, und Sie sehen sich, eine rehleinhafte Blondine in einem Seventies-Exploitation-Movie, die gerade einer traumatischen Erinnerung nachhängt, in diesem Teich liegen, und die Kamera gegenzoomt von Ihnen weg.

Kennen Sie nicht? Nein, ich auch nur, wenn ich so total bescheuert träume, dass alles zu spät ist. Lassen wir das.

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