Kolumne Zeitschleife: Krieg geführt und - zack! - Lerneffekt!

Die Dummheit: Menschenrecht und Geisel (Vorsicht: Diese Kolumne enthält Kraftausdrücke und böses Reden).

Ach, die jungen Leute. Sie sind das Salz der Erde, unser aller Zukunft. Grad hab ich einen Beitrag gehört über die Situation (sagen wir: einen Ausriss eines Teils der diversen Situationen) in Bombay. Und darin kam ein junger "Mann auf der Straße" zu Wort, der seine politischen Schlüsse aus den Terrorattacken schon gezogen hatte: "We need a war", krähte er in das Reportermikro, "We need a war with Pakistan!" Eine solche Woge von Pazifismus schwappte in mir hoch beim Klang dieser Worte, dass ich gern ins Radiogerät hineingegriffen und dem Typ so eins auf die Nuss gehauen hätte, dass er denkt, der ersehnte Atomschlag sei gerade schon erfolgt. "Thanks, I needed that", hätte er dann sagen können.

Nein, ich weiß. Bitte nicht so von oben herab. Das sind komplexe Konflikte da drüben, die wir nicht verstehen. Man steckt da nicht drin. Das Religiöse, die Ethnien, die Altlasten des Kolonialismus … Jedem Individuum jeder Volksgruppe mit ihren ganz ureigenen politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen und Verwicklungen muss wohl zu einem gewissen Grad zugestanden werden, sich so brunzdumm aufzuführen, wie das unter den jeweiligen politisch-gesellschaftlichen Verhältnissen nun mal … offenbar nicht zu vermeiden ist. Schließlich waren sie bei uns auch mal so brunzdumm, dass sie - unter anderem - dachten und herumtröteten, sie "bräuchten" Kriege, weil der "Erzfeind" schon wieder frech wird etc. Und dann haben sie diese so dringend gebrauchten Kriege geführt und - zack! - Lerneffekt! Gut: in gewisser Weise. In dieser Hinsicht. Nach dem zweiten Mal.

Wer bin ich also, den jungen Mann in Bombay zu verurteilen? Er ist ja auch nach allem Dafürhalten nicht schon brunzdumm auf die Welt gekommen, sondern erst so gemacht worden. Es finden sich ja immer und überall welche, die entweder so böse oder selbst so brunzdumm oder eben beides sind (recht viel subtiler braucht man gar nicht zu unterscheiden, find ich; gut: Ängstlich könnte man noch nennen, aber Angst funktioniert nur in Kombination mit Dummheit oder Bosheit so richtig gut als Treibmittel für Unheil; und Gier jeder Art zähle ich mal als Mischung von Dumm- und Bosheit), dass sie ihre Energie darin investieren, Hassquatsch in die Welt hinaus- und Leuten in die Köpfe hineinzukoten.

Das fängt - und wer wüsste es nicht - im Klitzekleinen an. Wenn zum Beispiel im Onlineforum der Musikzeitschrift, für die ich arbeite, einer schreibt, der (depressive und drogenabhängige) Selbstmörder Kurt Cobain sei in seinen Augen ein "Versager", der Frau und Kind habe "hängen lassen", und diesen zynischen, entmenschten Schweinkram dann als "edgy", doch validen Beitrag zu einer Art "Pop-Diskurs" (es ging einfach nur um den Wert der Musik der Band Nirvana) verstanden wissen möchte. Was in einer solchen hingeworfenen Äußerung zum Ausdruck kommt, ist ein so trauriger Mangel an Herzensbildung, dass man sich wünschen möchte, ein solcher ließe sich nicht ganz so ungehindert hinaus ins kollektive Hirn würgen. Es machte mich seufzen. Aber recht viel mehr als dies (und dem Typ eine saure Antwort zu schreiben, dass allen die Zunge trocken wird) bleibt dann auch nicht. Es gibt zwar kein Recht auf Faulheit, aber eins auf Dumm- und Bosheit.

Letzteres hat vor ein paar Wochen wieder in eindrucksvoller Weise der Münchener Verwaltungsgerichtshof bestätigt. Womit ich nicht sagen will, die Damen und Herren des VGH selbst hätten extensiv von diesen freilich auch ihnen zustehenden Rechten Gebrauch gemacht. Das will ich damit nicht sagen. Obwohl man mal ganz allgemein feststellen muss: Gäbe es ein Delikt "Dumm- und Bosheit im Amt", würde es wohl da und dort ganz schön durch die Stuben fegen. Nein, vielmehr versicherte der VGH einmal mehr eine Truppe marschierfreudiger Nazis - klar: Die sind es ja wohl, die sie am nötigsten haben - dieser Rechte, indem er einen bereits angenehm verbotenen Aufmarsch in der Münchner Innenstadt kurzfristig doch noch genehmigte. Wenigstens rannte da keiner hin und fragte diese jungen Männer, was wir "brauchen".

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