Kolumne Wutbürger: Hey, Opel, du crazy bitch
Der Autobauer aus Rüsselsheim benimmt sich wie ein älterer Herr in Bundfaltenhosen, der nur noch mit bunt bebügelter Sonnenbrille auf die Straße geht.
E s ist keine große Kunst, mit Anfang zwanzig in Würde älter zu werden. Jeden Morgen geht man mit dem Gefühl in den Tag, das Leben sei eine Prärie, auf der man irgendwo am Horizont seine Parzelle findet. Doch dann zergehen fünfzig Jahre wie Butter in der Sonne, und plötzlich kommt einem die Prärie vor wie eine Steppe, auf der nur noch Parzellen frei waren, für die ein Makler drei Monatsmieten Courtage verlangt hat. In einem solchen Moment ist es entscheidend, nicht die Nerven zu verlieren.
Opel hat das leider nicht geschafft. Der Autobauer aus Rüsselsheim ist komplett durchgedreht. Er benimmt sich wie ein älterer Herr in Bundfaltenhosen, der neuerdings nur noch mit bunt bebügelter Sonnenbrille auf die Straße geht. Und wenn er beim Bäcker gefragt wird, ob es ein Döschen Kondensmilch zur Tasse Filterkaffee sein darf, sagt er „Yo!“.
Stahl gewordener Ausdruck des Nervenzusammenbruchs ist das Modell Adam. Ein Auto, mit dem Opel nun junge Großstädter zu einer nie enden mögenden Spritztour verführen will. Es soll deshalb bitte auch nicht „Adam“ genannt werden, sondern „Ädem“.
Snowdenleaks könnte für Internetaktivisten sein, was Tschernobyl für die Atomkraftgegner war. Aber schafft es die Netzbewegung, diese Chance zu nutzen? Die große Geschichte „Was tun! Aber was?“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 17./18. August 2013. Darin außerdem: Ein Gespräch mit dem politischen Kabarettisten Georg Schramm, eine Reportage über Frauen im Kosovo, die nach dem Krieg neues Selbstbewusstsein entwickeln. Und der sonntaz-Streit zur Frage: Macht Taschengeld Kinder zu Materialisten? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Als ich den Werbespot sah, mit Clubmusik, Tätowierungen und Pudelmützen, wurde ich erfasst von einer Monsterwelle des Mitgefühls. Würde ein Mann bei der Feier des 70. Geburtstags sein neues Oberarmtatoo präsentieren und zu knarzendem Bass verkünden, er heiße von nun an nicht mehr „Adam“, sondern „Ädem“, seine Kinder würden antworten: „Ist dir nicht gut, Papa?“ Opel ist offensichtlich kinderlos.
Das ist aber noch nicht alles. Damit jeder das Auto fährt, das zu seinem krass individuellen Stil passt, kann man etwa fünfhundertachtundneunzig Designs mixen und aus drei Charakteren wählen: „Jam“ für den jugendlichen Käufer, „Glam“ für den eleganten und „Slam“ für den sportlichen. Doch was ist mit „Wham“ für den Freund der Fönwelle? Was mit „Bähm“ für den Pyromanen? Und was mit „Ham“ für den Fleisch- und Wurstliebhaber?
Hey, Opel, du crazy bitch aus Russelshome, da geht noch was.
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