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Kolumne WutbürgerYoga an der Supermarktkasse

Kai Schächtele
Kolumne
von Kai Schächtele

Tief einatmen, tief ausatmen, wenn die EC-Karte so tut, als sei kein Geld mehr auf dem Konto. Das kommt jetzt öfter vor und führt direkt ins Nirvana.

Man kann seinen Ommm-Moment wie diese buddhistischen Mönche haben. Unser Autor findet ihn im Supermarkt. Bild: dpa

D as Nirvana ist der Ort, an dem wir in vollendetem Frieden mit uns selbst leben. Nichts bringt uns mehr aus der Ruhe. Über nichts müssen wir uns noch ärgern. Für mich ist dieses Ziel deshalb so attraktiv wie eine Bettenburg in Benidorm. Wo käme ich hin, wenn es nichts mehr gäbe, worüber ich mich lustvoll in Rage tippen könnte?

Ich nehme es den deutschen Supermarktkassen deshalb besonders übel, dass sie uns bei jedem Bezahlvorgang mit EC-Karte der Seelenrettung ein Stück näher zu bringen versuchen. Das Nirvana erreicht nur, wer in der Lage ist, selbst im Moment größter Anspannung gelassen zu bleiben. Die Supermarktkasse ist seit einigen Monaten dafür ein besonderer Om-Gruppen-Übungsplatz: Andauernd akzeptiert das Lesegerät meine EC-Karte erst beim vierten Versuch.

In den ersten Wochen blickte ich mich noch nervös um, in der Sorge, jemand könnte mich beobachten und denken, mein Konto sei so leer wie der Geist eines buddhistischen Schweigemönchs. Dann fragte ich irgendwann eine Kassiererin, warum die Karte denn immer ausgerechnet beim vierten Mal akzeptiert werde. Und bekam zur Antwort, dass das neuerdings regelmäßig passiere. Warum, könne sie auch nicht erklären.

Seitdem stelle ich mich breitbeinig zum Yoga an der Supermarktkasse auf, bevor die Karte das erste Mal durch den Schlitz gezogen wird, atme anschließend tief ein und tief aus, tief ein und tief aus und lasse dabei im Geiste die Ingenieure von EC-Karten-Lesegeräten nacheinander über eine hundert Meter hohe Klippe ins Meer stürzen. Das kommt meinem Ideal vom Nirvana schon ziemlich nah.

taz am Wochenende

„Was soll ich mich engagieren in Russland, ändern kann ich sowieso nichts“, sagt Olympia-Teilnehmer Maximilian Arndt. Viele Sportler sehen das wie er und schweigen zu Putins Politik. Welche Gründe sie haben und wer den Mund aufmacht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 1./2. Februar 2014. Außerdem: Die EU-Staaten überlegen, wie sie in der Zentralafrikanischen Republik intervenieren können. Eine schnelle Eingreiftruppe hätten sie: die EU Battle Group trainiert seit fast zehn Jahren, eingesetzt wurde sie noch nie. Ein Besuch bei Europas vergessener Armee. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Natürlich habe ich versucht, der Ursache auf den Grund zu gehen. Ich rief bei der Pressestelle von VeriFone an, dem Hersteller des Teufelsgeräts H5000 aus meinem Supermarkt. Trotz mehrerer Anläufe gibt es bis heute keine Reaktion. Ich nehme an, eine Antwort erhalte ich erst beim vierten Versuch.

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Kai Schächtele
Journalist
Journalist, Buchautor, Moderator. Ärgert sich gern über Dinge, über die er sich gern lustig macht. Arbeitet außerdem als Dozent, weil man sich ja nicht immer nur ärgern kann, sondern auch den Jüngeren erklären muss, warum Journalismus immer noch der schönste Beruf von allen ist.
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10 Kommentare

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  • V
    volki

    Bargeld ist nicht kontrollierbar......

     

    Plastikgeld......vermeindlich als praktisch gepriesen ist die Entmündigung des Konsumsklaven...

     

    Man kann den Konsumenten besser profilieren

     

    Seine Einahmen und Ausgaben kontrollieren

     

    Im übrigen profitieren die ärmsten vom Bargeld....ich kann dem Obdachlosen auch mal 5,00 € in den Hut schmeissen.....dem Nachbarn Geld leihen etc.

     

    Das Bargeld abzuschaffen wird von Politik und Hochfinanz vorangetrieben um Kontrolle zu erlangen....noch mehr Kontrolle über die Bürger!

  • L
    Ludolph

    Nur Bares ist Wahres!

  • RA
    rosebud aka a**hole

    Kolumnenautor als gurutesker taz-LeserInnen-Aushilfsschreiberling.

    Wie peinlich ist das denn! Anything goes?!

    Überzeugte [Hamster-] Radfahrer (cf.: Upadana, Samsara) haben – mit oder ohne Bonanzarad – ohnehin keinerlei Chance, so etwas wie das Nirvana zu erreichen, zumal es definitiv kein: "Ort" ist!

    • Kai Schächtele , Autor des Artikels, Journalist
      @rosebud aka a**hole:

      Ich würde mal sagen: So gelassen, tiefenentspannt und ausgeglichen, wie Sie hier auftreten, müssen Sie es ja wissen.

  • Ich will ja das Thema nicht kleinreden - aber lösungsorientiert vorschlagen, einfach genug Bargeld mitzuführen - die Älteren werden sich erinnern - und dann damit BEZAHLEN. Hat den Vorteil, dass der Laden nicht meine Daten mit meinen Einkäufen verbinden kann. Meist geht es auch schneller. Also - wer keine Kolumne zu füllen hat - auf alte Kulturtechniken vertrauen.

    • @guido-nrw:

      Waaas ? Baargeld ? Wohl noch'n Geldbeutel daheim rumliegen und'n Sparschwein aufm Dachboden rumverstauben ?

      Wohl noch nicht in der Gegenwart des bargeldlosen Livestile angekommen !

      Spass beiseite; auch ich versuche in letzter Zeit, die EC-Karte nur noch am Geldautomat zu benutzen und ansonsten mit Bargeld zu handtieren. Hat schon den besagten Vorteil der Nicht-Verknüpfung meines Einkaufs mit meinem Namen in irgendwelchen Datenbanken. Edward Snowden's Enthüllungen waren mir da ein gutes Lehrstück. Ausserdem bin ich oft weltweit unterwegs, da weiss man nie, welchen Schlitzen zum Durchziehen der Kreditkarte man wirklich vertrauen kann.

      Also auch hier: Nur Bares ist Wahres.

  • SS
    Sie sind damit nicht allein

    Sie sind kein Einzelfall. Bin selbst betroffen u. kenne genug weitere Betroffene. Unsere Recherchen haben ergeben, dass der Magnetstreifen nicht mehr einwandfrei funktioniert bzw. das Lesegerät zu empfindlich reagiert und deshalb via Chip/Pin bezahlt werden muss. Bei Zahlung über den Magnetstreifen (ohne Pin) trägt das Unternehmen das Risiko, falls eine Kartenzahlung, mangels Deckung, storniert wird. Allerdings zahlt das Unternehmen so auch weniger an anteiliger Umsatzprovision an die Dienstleister (Betreiber der Lesegeräte/Datenleitung etc.). Bei Zahlung mit Pin, die automatisch nach 3 Fehlversuchen aktiviert wird, trägt das Risiko u.a. die Bank. Für diese Sicherheit ist eine höhere Provision vom Kartenumsatz zu berappen. Da die Zahlungsausfallquote bei Zahlung via Magnetstreifen (ohne PIN) sehr gering ist, versuchen viele Unternehmen sich die erhöhte Umsatzprovision zu sparen. Angeboten werden üblicherweise beide Zahlungsvarianten, die mit PIN jedoch erst nach den Fehlversuchen. Warum das Personal an den Kassen hilflos und unwissend gelassen wird bzw. keine sofortige Umschaltmöglichkeit zwischen beiden Zahlungsmöglichkeiten vorhanden sein soll, erschließt sich uns auch nicht. Immer positiv Denken, so hat das Personal und alle gestressten Kunden eine kleine wohlverdiente Pause, die wir inzwischen immer mit ein paar netten Worten begleiten. Ein Lächeln ist unbezahlbar.

    • U
      Ungäubiger
      @Sie sind damit nicht allein:

      Ich habe mal mit einem VeriFone-Gerät gearbeitet. Genau genommen waren es insgesamt drei verschiedene Modelle in zwei unterschiedlichen Unternehmen.

      Es gibt da durchaus die Möglichkeit, den Bezahlvorgang selbst zu beeinflussen. Bei den älteren Geräten im ersten Unternehmen konnte man einfach die Karte anders herum reinstecken und schon hat das Gerät das PIN-Verfahren durchgeführt. Bei den anderen Geräten ging das dann angeblich nicht mehr, aber dafür hatten wir dort alle Zugang zum Handbuch und das war sehr hilfreich. Es gibt Tastenkombinationen, die die tollsten Sachen auslösen können. Beliebt war, den Kundenzettel beim abreißen zu zerstören, weil die Risskante nicht scharf genug war. Mit drei gedrückten Tasten gab es einen neuen Versuch. Man konnte aber auch ältere Belege erneut ausdrucken, die Zwischensumme ausdrucken lassen und eben das Bezahlverfahren auswählen. Das wurde zwar kaum gemacht, weil wir so gut wie nie Probleme mit den Karten hatten, aber es ist theoretisch möglich gewesen. Anscheinend sind aber nicht alle Arbeitgeber so transparent mit ihren Unterlagen und Handbüchern, deswegen weiß sowas kaum jemand. Andererseits wird es auch die Order geben, kosteneffizient zu arbeiten und dazu gehört natürlich auch die Vermeidung von Gebühren. Wie auch immer, die Leute, die diese Dinger entwerfen und programmieren haben sich da durchaus schon etwas bei gedacht und keinen absoluten bullshit produziert (auch wenn die Geräte teils schon ganz schöne Mimosen sind).

    • Kai Schächtele , Autor des Artikels, Journalist
      @Sie sind damit nicht allein:

      Das ist ja hochinteressant und aufschlussreich. Vielen Dank für diese detaillierte Erklärung.

      • 6G
        688 (Profil gelöscht)
        @Kai Schächtele:

        Ja, da freut sich der gewöhnliche Konsum- und Profitautist!?

         

        Ich ärgere mich immer über diese Verdammten mit Karte. Denn auch wenn die Karte nach einmal durchziehen funktioniert, dauert der Vorgang immer viel länger als mit Bargeld.