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Kolumne WortklaubereiGutti. Wie es wirklich war

Kolumne
von Josef Winkler

So viele Fragen sind offen in der Affäre Guttenberg. Vielleicht gibt's in der Zukunft Antworten.

D onnerstagabend Anfang März 2014, ein interessanter Gast bei Johannes B. Kerner. Da sitzt, mit rausgewachsenen Haaren, Fusselbart, im Hawaiihemd und recht sympathisch, ohne Gel und Getue, der Expolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg, den seine Freunde Tscharlie nennen. Und dann erzählt er, wie das damals war.

Wie ihm seit frühester Kindheit das Hirn verbogen worden war von seiner Familie und der ganzen Leistungs- und Geltungsscheiße in diesen CSU-und-Adelskreisen, und wie er nie die Kraft hatte zu rebellieren, sondern mitspielte, braver Bub. In der Schule tat er sich noch leicht, beim Jurastudium schon nicht mehr, aber: Versagen gabs nicht. Und dann - "Bub, du tätst so einen schönen Politiker hergeben, mach uns keine Schand!" - eben in die Politik. Und wie er halb schon verreckte unter den Erwartungen und Ansprüchen und es immer mühsamer wurde, die Fassade zu wahren.

Man entwickelt dann einen ungesunden Zynismus, und so hat er halt allen erzählt, was sie hören wollten. Die waren begeistert und ließen sich ein wenig vom Leib halten, aber er sank immer tiefer in den Sumpf aus Überforderung und Lebenslüge. Dann sollte auch noch der Doktor her - ohne gings ja nicht daheim -, und da musste er langsam durchgedreht sein. Irgendwann glaubst du's ja dann selbst, dass du der Geilste bist und mit allem durchkommst. Und da hat er diese Arbeit zusammengehauen aus geklautem Zeug. Vielleicht schon insgeheim gehofft, dass alles auffliegt, aber die Uni: "Summa cum laude", oh Mann!

Und immer weiter. An die Zeit, als sie ihn dann wie die Besoffenen als Bundespolitiker hochlobten, erinnert er sich eh nur verschwommen, und irgendwann stand er da: das Gespött der Republik. Und preschte erst mal reflexartig weiter auf die alte Tour: auftrumpfen, nassforsche Sprüche - weiter! Klar hätte er da längst schnallen müssen, dass es vorbei war, aber diese Kuh im Kanzleramt sagte immer noch, er muss bleiben, sonst geht der ganze Laden vor die Hunde. Und so blieb er, bis gar nichts mehr ging.

Bild: privat

JOSEF WINKLER lebt und arbeitet, was sein Nervenkostüm und Zeitbudget nicht unerheblich in Anspruch nimmt, in München und Palling. Hobbies: Zeichnen, Tiere, Musik, Nichtschwimmen.

Und wie er in den Wochen nach dem Rücktritt langsam aufwachte aus diesem Albtraum und sich selbst nicht ertragen konnte: dieser unnatürliche Wichtigtuer-Gestus und diese arrogante Art, die er sich als Schutzpanzer zugelegt hatte und die die Leute für Charisma hielten - die Leute, die er "für die Politik begeistert" hatte, wies überall hieß, und die jetzt sein Gesicht auf Torten malten wie liebeskranke Boygroupies, Himmelherrgott! Und wie sich seine sogenannten Parteifreunde überschlugen, jeder wollte der allergrößte Guttenbergler sein, weil sie so viel Schiss hatten vor seinen Fans. Wie er sich schämte und wie befreiend es war, das endlich zu dürfen.

Und wie er sein Leben in seine Hände nahm. Nach dem Urheberrechtsprozess ging's dann los: Jakobsweg. Indien. Sein Erbe hat er dann größtenteils Ärzte ohne Grenzen gespendet und mit dem Rest jetzt schön: Tauchschule auf Ko Samui.

Steffi hat sich auch eingekriegt und ist von ihrem schrecklichen Karriereweibchentrip runter. Und die Kids entwickeln sich wunderbar - geradeheraus und ehrlich.

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13 Kommentare

 / 
  • PS
    Post Scriptum

    Gelungene politische Satire ist eine extreme Kunstform. Vater, Mutter und Co. ist irgendwie eindeutig unter der Gürtellinie, auch die künstlerische Freiheit trifft da auf die Grenzen des guten Geschmacks, egal von wem die Rede ist.

    Schreibt Hannemann keine Kommentare mehr für die taz?

  • FN
    Floda Nashir

    Das hat er nun aber wirklich nicht verdient. Fusselbart und Indien. So ein Scheiß.

  • W
    Werner

    Falls es so oder ähnlich käme, wäre die spannendste Frage ja, was die CSU-Weggefährten zu seiner neuesten Schilderung der Vergangenheit sagen würden.

     

    Auf jeden Fall wünsche ich Karl-Theodor, dass er diese Text liest. Für den Fall, dass mehr als das berühmte Körnchen Wahrheit dran ist.

  • E
    eberhard

    2 kleine richtigstellungen : sein alter kumpel friedrich ( fritzi ) hat ihm die diss geschrieben und die tauchschule ist nicht auf koh samui sondern auf koh tao .

  • DG
    Der Geist, der stets das Böse will, ...

    Da wird selbst die Vergangenheit in Form einer Bambiverleihung aus dem Jahr 2009(!) nocheinmal brandaktuell:

     

    http://www.bild.de/BILD/video/clip/no-pre-roll/2009/11/27/gutenberg.html

     

    Also, ich habe da ja so meine Vermutung, wer die Doktorarbeit gekupfert hat, während der junge Familienvater am Herd schwitzen musste...

  • PS
    Post Scriptum

    Es wäre ja wirklich schön für ihn, wenn sich sein Leben privat so entwickeln würde, wenn er auch für seine Privatsphäre Verantwortung übernimmt.

    Seiner Verantwortung als öffentlicher Amtsträger kann er sich trotzdem nicht entziehen. Es war eine wichtige Funktion, die er da öffentlich übernahm, mit einer schweren Verantwortung, die man übernehmen muss und der man gerecht werden muss. Und für einen Dumping-Lohn hat er ja nicht gearbeitet.

    Auch eine Putzkraft muss, meistens für skandalös wenig Entgelt und mit skandalös wenig Anerkennung für ihre/seine Arbeit, die Arbeit leisten, die zu leisten ist, also ehrlich und professionell arbeiten, ohne Betrügereien.

  • A
    anke

    The Kids Are Fine

     

    Gewiss, Herr Winkler: Genau so wird es kommen. DIE Medien, mittenmang die taz, werden sich die CD mit dem Download der Sendung hinter den Spiegel klemmen und jeden Morgen beim Rasieren zu ihrem Spiegelbild sprechen: "Das hast Du wirklich gut gemacht! Wieder eine Seele vorm Fegefeuer gerettet"! Anschließend werden sie gestärkt und erbaut zu neuem, zynischem Tagwerk aufbrechen. Wäre ja gelacht, wenn sich nicht auch in Zukunft etliche Leute finden ließen, die zu ihrem eigenen wie zu unser aller Wohl öffentlich demontiert werden können, nachdem sie zuvor ebenso engagiert (Führung, schließlich, muss sein) aufs Schild gehoben worden sind. Auf in die Schlacht also. Es gibt viel zu gewinnen. Konkurrieren Sie los! Sat1 wird es danken. Gut, dass es den Kerner gibt. Man gönnt sich ja sonst nichts...

  • S
    Sannie

    Gefällt mir.

  • KS
    Karin Schmidt

    Thänks !

    Wunderbar.

  • FH
    Frank - HL

    Er war / ist immer diesseits, nicht jenseits von Gut und Böse, überfordert, dem Betrieb nicht gewachsen. Auf seine Art - ' mag sein, mag nicht sein ' deutete er dies in seiner Rücktrittsrede sogar an.

    Und an anderer Stelle - ' Ich bin ja schon froh, wenn man mir Verteidigungsminister zutraut. '

    Ob die Läuterung kommt, oder mehr desselben........

  • JW
    Jens Wesemann

    Wünschen wir ihm, dass es genau so kommt.

  • LL
    Linda L.

    Genau so wars! :-)

  • N
    Nansen

    .. und die Kinder wurden gut und anständig. Sie wählten einen sozialen Beruf aus - mit Option auf ehrenamtliche Zusatzarbeit - und engagierten sich tatkräftig für hungernde Kinder und misshandelte Tiere. Sie waren immer kollegial zu anderen Menschen und Pflanzen und setzten sich für die Gleichberechtigung aller Lebewesen ein.. und wählten fortan nur noch die Grünen.

     

    Und Gutti selbst? Er sah seine früheren Irrtümer vollumfänglich ein, trat aus der Kirche aus und zeugte mit Steffi ein freies Kind kirchenbefreiter Konfessionslosigkeit... das später natürlich zum Ausgleich fehlender Spiritualität zum Buddhismus überlief ;-)

     

    Und alles war gut.

    Wer hätte gedacht, dass die Welt so einfach ist?