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Kolumne WortklaubereiDu freust dich ja gar nicht

Kolumne
von Josef Winkler

Eia Popeia, was raschelt im Stroh? Das ist der Bundesinnenminister, der freut sich so!

O sama bin Laden ist tot! Ja, was ist denn los? Du freust dich ja gar nicht. Du freust dich ja gar nicht richtig, ich sehs an deinem Gesicht! Die Kanzlerin hat gesagt, dass sie sich freut, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten. Und du bläst hier Trübsal, du Miesepeter? Gut, dem Gesicht der Kanzlerin hat mans auch nicht direkt angesehen, dass sie sich gar so freut.

Und nein, so was hab ich auch noch nie gehört von einem Politiker oder Staatsrepräsentanten dieser Kategorie. So was hört man ja auch wirklich eher selten. In der Tat kann ich mich überhaupt nicht erinnern, jemals eine Person des öffentlichen Lebens offiziell verkünden gehört zu haben, er oder sie "freue" sich über die Tötung, den Tod von wem auch immer. Jedenfalls nicht nach 1945.

Das ist eine ziemlich monströse Aussage, wenn mans mal genau nimmt. Aber a) gehört das wahrscheinlich noch zur "uneingeschränkten Solidarität" mit den Amerikanern, die wir mal geschworen haben, und wenn die sich doch so freuen? Und warum sollte b) die Frau mit der rhetorischen Präzision einer zu schlapp gefüllten Wasserbombe jetzt auf einmal genau nehmen, was sie für einen abgründigen Dreck daherlabert; sie hat doch weiß Gott Wichtigeres zu tun.

Bild: privat

JOSEF WINKLER lebt und arbeitet, was sein Nervenkostüm und Zeitbudget nicht unerheblich in Anspruch nimmt, in München und Palling. Hobbies: Zeichnen, Tiere, Musik, Nichtschwimmen.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich - Sie wissen schon, das ist der, wo man sich immer fragt: Ja, kruzefix!, hat jetzt das auch noch sein müssen, dass der Bundesinnenminister wird? -, der Bundesinnenminister hat auch gesagt, "wir" (wen immer er alles damit meinte) "empfinden Freude" über den Tod von Osama bin Laden. Er hat das in einer "ersten Reaktion" gesagt in so hochoffiziösem Duktus, als sei das die sozusagen vom Protokoll erwartete Worthülse eines ranghohen Politikers in Reaktion auf so eine Nachricht - so wie man eben einen "feigen Anschlag verurteilt" oder eine "Entwicklung mit Sorge beobachtet".

Fast hätte man meinen können, das mit der ostentativen Freuerei sei schon wieder so eine offizielle Sprachregelung der Regierung, wie man sie jetzt ja öfter hatte. Aber dann hätte sie ja auch der Ramsauer noch in irgendein Mikro hineingesagt. Hat er? Wenn, dann hab ichs nicht mitgekriegt. Ich empfinde Freude darüber, dass ich nicht alles mitkriege, was der Ramsauer irgendwo hineinsagt.

"Osama bin Laden", hat der Bundesinnenminister Friedrich auch noch gesagt, "steht für einen Terrorismus der Menschenverachtung und Unmenschlichkeit." Das ist natürlich ein totaler Scheißsatz und ungefähr so, wie wenn man sagt, B. B. King stehe für einen Blues der kleinen Septimen und verminderten Quinten, und es würde einen ja interessieren, was für verschiedene Terrorismusse der Herr Friedrich so unterscheidet.

Aber Hauptsache, es ist irgendwas dahergelabert, was sich dramatisch und ein bisschen wuchtig anhört, vor allem, wenn man eigentlich eh grad ein Anliegen hat, so ein Zufall!, nämlich das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz ein bissl zu entfristen. Das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz, bald mit einem Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetzpauschalentfristungspassus! Hach … Was ist?

Du freust dich ja immer noch nicht!

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8 Kommentare

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  • C
    Chris

    Die Lizenz zum Töten (oder wahlweise drüber freuen) wird nun mal nur vom Allerhöchsten an ganz besonders gute Menschen verteilt.

     

    Für den Rest gilt natürlich nach wie vor das Wort Gottes!

     

    Wann werden wir Gutmensch-Dummerchen das endlich begreifen?

  • T
    Tom

    Ich sehe das so: Dass Bin Laden tot ist, ist eine gute Nachricht. Und über gute Nachrichten darf man sich freuen - ich finde, das darf auch die Bundeskanzlerin.

     

    Ich jedenfals bin froh, dass er nicht z. B. gefangengenommen wurde und in Zukunft mit einem Gefängnis-Onlinetagebuch, mit einer Autobiografie oder mittels zahlloser Interviews Hass streuen und weiter Anhänger an- und aufpeitschen kann.

     

    Was das mit "Staatsterrorismus", Renate Künast oder dem Papst zu tun hat, konnte ich leider nicht verstehe - das ist aber, wie eine Kolumne ja auch, nur meine persönliche Meinung. Und dass ich die habe, freut mich.

  • W
    Werner

    Wäre Angela M. in der alten Bundesrepublik gross geworden, hätte sie vielleicht mitbekommen, dass es seit über 30 Jahren noch eine andere Möglichkeit gibt sich zu freuen: klammheimlich.

  • M
    moelli

    Keiner muss sich über die Tötung Osama bin Ladens freuen, aber ich kann diese Reaktion jedenfalls nachvollziehen. Dass sich Frau Merkel als Repräsentantin Deutschlands da ein wenig zurückhaltender hätte äußern sollen, steht auf einem anderen Blatt.

     

    Den "Staatsterrorismus" der USA konnte man oft zu Recht kritisieren, aber ausgerechnet gegenüber einem Massenmörder wie Osama scheint mir diese Einschätzung doch etwas überzogen.

  • FK
    Fred Krug

    Die Welt gerät aus den Fugen ...

    Erst sagt der Papst etwas, was ich so ähnlich sehe.

    Dann die Künast.

    Und jetzt noch die taz ... Unglaublich ... Mein Werte- und Meinungsgerüst wackelt. War ich so lange im Irrtum? Und kann das funktionieren, Papst, Künast und taz in einem Atemzug?

     

    Da kommen mir zunehmend Eindruck und Bestätigung für die kristallklare Erkenntnis, dass wir Minderheiten sind ... Minderheiten, die zu den wenigen gehören, die begriffen haben, dass Freude über Tod echt unchique is' ... Es geht also - ein Atemzug mit Künast, taz und Papst...

     

     

    Hab' mal in diversen Menschenrechtskatalogen geblättert und sogar unser Grundgesetz bemüht, um in einem zweiten Schritt in den Kommentaren zu den einschlägigen Regelungen tiefer zu gehen ... Nee. Also Punkt 1: Töten eines Menschen - das geht schon mal gar nicht; und 2.: Freude über Töten eines Menschen erst Recht nicht.

     

    Und nein, Menschenrechtskonvention und Grundgesetz sind keine "klassischen" Gesetze. Anders als die Regierungsdiarrhoe (Gesetze, Verordnungen) haben diese Regelwerke noch eine gewisse Nähe zu den philosophischen, ethischen und moralischen Grundwerten, aus denen sie ihre normative Kraft ziehen. Und Grundwerte unserer "westlichen Wertegemeinschaft" (mittlerweile ein Schimpfwort in den meisten, nur nicht westlichen Teilen der Welt) sind nun mal "eigentlich" Recht auf Leben, Recht auf körperliche Unversertheit, der faire Prozess etc. höchste Güter ... Und gerade hier in Europa ist in der EMRK und bezogen auf D-Land die Todesstrafe wenigstens tendenziell "lex non grata". Ich begreife noch immer nicht, wie sich diese politische "Elite" zu solchem Schmarrn hinreißen kann und sich darüber freut, dass "jemand" getötet worden ist ...

     

    Wie komme ich auf Todesstrafe? Es wurde doch jemand nur in einer Militäraktion, die alle Mittel heilige, getötet? 1. Gegen Pakistan wird (noch) kein Krieg geführt; und wenn die freudebereitende Tötung von Kriegsgegnern schicklich sei, dann müssten wir nahezu täglich den Partykeller bevölkern, wenn die Alliierten gegen die Achse des Bösen erfolgreiche Schläge geführt hat; 2. dann dürfte wir keine scheinheilige Diskussion über die Würde und den Schutz der Passagiere in entführten Flugzeuge pflegen; 3. dann dürften wir uns nicht traurig und elendig gerieren, wenn die unseren abgeknallt werden (Gleichbehandlung bitte); 4. dann müssten wir für jedes zivile Opfer ein Trauerband tragen ... Ergo: Der Topp-Terrorist wurde der Todesstrafe für seine Untaten zugeführt, noch dazu ohne fairen Gerichtsprozess, wie ihn jeder westliche Politiker in Anspruch nehmen wollte, obwohl die ja häufig unter Immunität und Indemnität leiden ...

     

    Es ist, wie Künast gesagt: Die Freude über den Tod einzelner oder bestimmter ist nah an der Unterscheidung zwischen wertem und unwertem Leben ... Danke auch an diesen Beitrag. Und Danke auch an den Papst. Und ja - ich freue mich deshalb - aber nur, dass es Minderheiten wie uns gibt, die sich möglicherweise über entscheidende Schläge gegen Terrorismen freuen, nicht aber die Tötung von Menschen ...

  • JK
    Juergen K

    Sowas hat mal 100 Mark Begrüssungsgeld bekommen.

  • V
    vic

    Ich habe ihn lange nicht gefunden, aber hier ist er:

    Der angemesene Beitrag zum Thema "Ich freu mich so".

  • P
    Paria

    Vielen Dank, ein sehr guter Kommentar!

     

    Neben dem Terrorismus, den Friedrich menschenverachtend und unmenschlich nennt, gibt es natürlich noch den Staatsterror der westlichen Demokratien, mit dem auf der ganzen Welt Friede und Freiheit herbeigebombt werden soll. Und weil dieser Terror nunmal von den tollen Demokratien ausgeht ist er natürlich nicht menschenverachtend und unmenschlich, sondern (na wer errät's?) alternativlos, genau^^