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Kolumne Unter LeutenKolumbiens Tarzan

Philipp Eins
Kolumne
von Philipp Eins

Er sieht aus wie eine Kreuzung aus Rolf Eden und Indiana Jones: Kapax ist ein echter Urwaldheld. Er kämpft mit bösen Männern und Riesenschlangen.

Die Große Anakonda kann kann mehrere Meter lang werden: für richtige Tarzane kein Problem Foto: imago/imagebroker

E s ist eine schwüle Sommernacht in der Kleinstadt Leticia am Amazonas, als sich für meinen Kollegen Andres aus Kolumbien ein Jugendtraum erfüllt. Wir sitzen an der Gartenbar eines Hotels, vor uns eiskalter Caipirinha, hinter uns der Regenwald. Plötzlich gerät Andres ins Stammeln. Ich drehe mich um. Neben mir sitzt ein etwa 70-jähriger Mann vor einem Drink. Er sieht aus wie eine Kreuzung aus Rolf Eden und Indiana Jones: Schulterlange, blondierte Haare, sonnengegerbtes Gesicht, schräger Hundeblick. Das ist Kapax, flüstert Andres. Der Tarzan Kolumbiens.

Im ganzen Land wachsen Kinder mit ihm auf, wie bei uns mit Winnetou. Er hat Krokodile bezwungen, mit Indios die Friedenspfeife geraucht und ein Fotobuch über seine Abenteuer herausgebracht. Ein echter Urwaldheld. Andres spricht ihn an.

Presse? Kapax hat Zeit. Gleich morgen früh, acht Uhr, hier im Hotel. Dort arbeitet er schließlich. Als Hausmeister. Am nächsten Morgen stehen wir wieder vor der Gartenbar. „Buenos“, brummt es hinter uns. Es ist Kapax.

Bei Tageslicht wirkt sein zerfurchtes Gesicht gealtert und faltig. Außerdem reicht mir Kapax, dessen Name so viel bedeutet wie „der Große, Vielfassende“, nur bis zur Schulter. Kapax führt uns in eine muffige Hütte hinter dem Pool. Er öffnet den Deckel eines Bastkorbs und zeigt auf eine vier Meter lange Anakonda, die aufgerollt wie ein Gartenschlauch vor sich hindämmert.

„Fürs Foto“, brummt er.

Zu dritt hieven wir die Würgeschlange ins Freie, allein schafft es der Urwaldheld nicht. Der Rücken. Nach dem Shooting spricht Kapax über sein Fotobuch. Er holt ein dünnes Heft aus der Tasche.

Ob die Bilder gestellt sind? „Nein, nein“, sagt Kapax. „Alles echt.“

Ich blättere. Die Story erinnert an die Fotoromanze aus der Bravo – nur ohne Romanze. In einigen Szenen schwimmt Kapax grimmig dreinblickenden Ureinwohnern davon. Zweifellos gestellt. Die Darsteller haben sich beim Verkleiden nicht mal Mühe gegeben. Kapax ist ein echtes Fake-Idol, denke ich später. Ich finde das beruhigend. Auch Nationalhelden sind eben nur Menschen.

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Philipp Eins
Freier Journalist und Gründer von EINS.STUDIO.
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3 Kommentare

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  • Gut zu wissen -

    In Kolumbien heißt - Sack Reis -

    Kapax. Bravo.

    Danke taz.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Nur kein Neid.

       

      Neben mir sitzt ein etwa 70-jähriger Mann vor einem Drink. Er sieht aus wie eine Kreuzung aus Rolf Eden und Indiana Jones: Schulterlange, blondierte Haare, sonnengegerbtes Gesicht, schräger Hundeblick. Das ist Kapax, flüstert Andres. Der Reissack Kolumbiens.

      Ha!

      • @571 (Profil gelöscht):

        Neid¿ Mach Bosse.

        On stage. Bravo.

        Schulterlanges melatenblondes Haar.

        "Jetzt weiß ich wie der junge -

        Iggy-Pop ausgesehen hat!"

        Ha.