Kolumne Trikottausch 19: Post von Wagner an "Schlampen"-Yücel

Herr Yücel, deutsche Frauen sind keine Schlampen und verdienen Respekt. Aber weil Sie nicht Maß halten konnten, wurde aus einem satirischen Spaß bitterer Ernst.

Lieber Deniz Yücel,

ja, Sie haben für viel Wirbel gesorgt in den letzten Tagen. Was zuerst noch als ein satirischer Spaß daherkam, die Verballhornung unserer deutschen WM-Fußballerinnen, entpuppte sich mittlerweile zum medialen Selbstläufer.

Sie, Herr Yücel, haben ein Ungeheuer geboren – Deniz Yücel, der musterhaft integrierte Türke, der das Deutsche oft besser zu meistern versteht als der einfache kleine Mann von der Straße. Der kleine Mann, der Ihre vermeintlich intellektuellen Schelmereien und Boshaftigkeiten in seiner Gutmütigkeit leider für bare Münze nimmt und darüber dann wütend wird. Oder auch viele Ihrer braven und anständigen Landsmänner, die sich jetzt fragen lassen müssen, wie denn einer der ihrigen so undankbar gegenüber seinem Gastland sein kann. Schämen Sie sich.

Sie hatten Glück, mit Ihnen hat es die Integration gut gemeint und Sie konnten eine gute, deutsche Schulausbildung erwerben. Ich gratuliere zur Verve, mit der Sie die Feder wie ein Florett zu schwingen verstehen! Wie viel hätte aus Ihnen werden können, wenn Sie Grenzen respektiert hätten.

Aber was mit den Männern vor einem Jahr noch ein herrlicher Spaß war, ist nun bitterer Ernst geworden. Alles ist entglitten, Sie haben den Unterschied nicht begriffen. Deutsche Frauen sind keine Schlampen, sondern verdienen Respekt und haben ein Recht auf ihre Würde, besonders und gerade in der Niederlage. Sie aber legen Finger in Wunden, wo Sie besser den Griffel beiseitegelegt und schamvoll geschwiegen hätten! Sie kennen kein Maß, voller missionarischem Eifer sind Sie getrieben von der Sucht nach noch mehr Beifall, Aufmerksamkeit und Hasspost! Sie haben vergessen, worum es im Sport geht: Sich auch mal zurücknehmen zu können. "There is no I in Team", wie der Amerikaner zu sagen pflegt.

Und auch in Deutschland gibt es kein i, Sie können doch so gut Deutsch! Sie haben offenbar vergessen, dass Sie selbst einmal ein kleiner Deniz waren, der damals nicht verstanden hat, warum so viele Kinder ihn anders behandeln, nur weil seine Eltern keine Deutschen sind. Wie auch viele Frauen anders behandelt werden, weil sie keine Männer sind. Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihrer Mutter immer noch in die Augen blicken können, selbst nachdem die Ihre Kolumnen gelesen hat. Dass sie trotzdem noch voller Inbrust sagen kann: Ja, du bist mein guter Sohn und Mama ist stolz auf dich – so wie es der Vater von Birgit Prinz auch sagen kann. Das wünsche ich Ihnen.

Herzlichst,

Ihr Franz Josef Wagner

***

"Franz Josef Wagner (* 7. August 1943 in Olmütz) wuchs als Sohn einer Handarbeitslehrerin in Regensburg auf. Er besuchte dort eine Klosterschule, bestand jedoch die Abiturprüfung nicht. Ab 1966 arbeitete er beim Axel-Springer-Verlag. 1988 wurde er Chefredakteur der Boulevard-Zeitschrift Bunte. 1998 kam er zurück zum Axel-Springer-Verlag und wurde Chefredakteur der B.Z. und der B.Z. am Sonntag. Im Jahr 2000 verlor er seinen Posten, nachdem er in einem Artikel über Franziska van Almsick ehrverletzende Töne angeschlagen hatte.

Seit dem 3. Januar 2001 ist Wagner 'Chefkolumnist' bei Springer. Er schreibt die Kolumne 'Post von Wagner', montags bis samstags in Bild. Seine mit vielen beschreibenden Adjektiven und Adverbien versehenen, sich mitunter binnen kurzer Zeit widersprechenden Texte und seine wilden Argumentationssprünge haben Wagner den Spitznamen 'Gossen-Goethe' eingebracht", informiert taz-Expertin Wikipedia (10).

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Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.

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