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Kolumne Trends und DemutDie Sendung mit der Rastamouse

Kolumne
von Julia Grosse

Britische Eltern in Panik: Die BBC hat eine neue Erfolgsserie im Kinderprogramm, in der Patois – eine jamaikanisch-kreolische Sprache – gesprochen wird.

N eulich lief im BBC-Fernsehen ein Reggae-Stück. Ich hörte weiche Gitarren, guten MC und sah eine kleine Stoffmaus mit Pappgitarre und großer, typischer Häkelmütze in den Rastafari-Farben. "Rastamouse" ist die neue Erfolgsserie im Kinderprogramm der BBC. Der Held ist eine zottige Maus mit Bling-Juwelen und ihrer Band, "The Easy Crew".

Rastamouse ist weder depressiv wie Bernd das Brot noch nervtötend pfiffig wie Bob der Baumeister. Die Maus ist cool. Und die BBC das perfekte Mutterschiff fleckenloser Multikulturalität: Die musikalischen Mausabenteuer sind ein Lehrstück in britischer, unverkrampfter Inszenierung von politischer Korrektheit und wurden mitproduziert von einem Rastafari. Der Held wird von einem schwarzen, extrem populären Radiomoderator gesprochen. Die BBC hat sich also abgesichert wie vor einem Angriff.

Und den gab es. Verängstigte Eltern schrieben Briefe, weil sie glauben, Rastamouse hampele ihren Kindern mit seiner Eeeaaaasyness vor allem ein rassistisches Stereotypentheater vor. Eine Mutter meinte, dass ihre Tochter womöglich verprügelt würde, wenn sie als Weiße ihre schwarzen Schulfreunde plötzlich mit "jamaikanischem" Akzent begrüße. Das sei ja auch absolut diskriminierend den armen Schwarzen gegenüber!

"Me wan go!"

JULIA GROSSE

ist Kulturreporterin der taz in London.

95 Prozent aller Beschwerden haben mit Rastamouse allerdings ein ganz anderes Problem. Beunruhigte Mittelklasse-Eltern befürchten, dass der "Slang", den die Stoffkreation in der Serie tatsächlich spricht, den feinen britischen Akzent und die Grammatik ihrer Zöglinge versauen könnte: Rastamouse sagt "Me wan go!" ("I want to go!"), "Irie!" ("Happy!"), "Wagwan" ("What's going on?").

Aber Patois ist kein "Slang" oder gebrochenes Englisch, sondern eine traditionelle, jamaikanisch-kreolische Sprache mit westafrikanischem und englischem Vokabular. Jamaikanisch-britische Eltern haben mit der Serie übrigens kein Problem. Sie finden es gut, dass die Kultur ihres Kindes endlich einmal in einer etablierten Nachmittagsendung repräsentiert wird.

Rastamouse' Mission ist es, "to make a bad ting good", in jeder Folge jagt er zwischen den Gigs mit seiner Band irgendwelche Gauner. Paranoide Eltern sahen bereits Szenarien vor sich, in denen sich Sandkästen in infantile Crime Scenes verwandeln, ein paar vermuteten hinter dem häufig benutzen Wort "Cheese" (es geht um Mäuse, richtig?) schon ein Codewort für einen dicken, fetten Joint.

Dabei ist doch die viel beunruhigendere Frage: Wie viele Stunden lassen all diese panischen Eltern ihre Kinder vor der Glotze versauern, dass die irgendwann Patois sprechen können? Und falls davon tatsächlich etwas hängen bleibt, hat die BBC ihren interkulturellen Lehrauftrag doch bestens erfüllt! Immerhin wird Patois in britischen Metropolen wie London überall gesprochen und so können sich weltfremde Mittelklasse-Kids schon einmal an den Klang einer ganz normalen Variation ihrer heiligen Muttersprache gewöhnen.

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2 Kommentare

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  • V
    vic

    Ich war mehrfach in Jay. Schon die Sprache klingt nach Urlaub. Und alle lächeln - wobei- das kann aucb andere Gründe haben...

    What`s up.

    Ich war auch in UK.

    Stiff upper lips? Alles andere als wohlklingend.

    No thanks.

  • H
    Hendrik

    Ich find ja Rastamouse auch äußerst putzig, zu mal ich Patois sehr gern höre.

     

    Ich stell mir nun aber gerade vergleichbares in der deutsch-türkisch-arabischen "Kanak-Sprak" vor, produziert vom RBB, oder so.

     

    Isch glaub, da würden hierzulande quasi alle Konkret Sturm laufen, Alta!

     

    Die Engländer haben es leider verdammt besser mit ihrer Popkultur. Denn die haben Commonwealth und wir Fremdenangst.