Kolumne Speckgürtel: Besoffen unterm Johannisbeerstrauch

Es ist Partyzeit, und die Pubertistin schämt sich für ihre Eltern.

Es war spät, als wir uns wieder nach Hause trauten. Nicht spät genug natürlich, erst zwei Uhr nachts. Aber wir hatten unser Bestes gegeben. Hatten unsere arglosen Nachbarn über Stunden mit Wartezimmergesprächen wach gehalten, hatten ihren Garten gelobt. Und immer fleißig die Gläser nachgefüllt. Gegen Mitternacht zeigte die Gastgeberin erste Ermüdungserscheinungen, aber wir waren vorbereitet und hatten den Laptop dabei: Haben wir euch schon die Urlaubsbilder …? Viertel vor zwei war es so weit: Wir waren erledigt. Müde, leer gequatscht und, oh ja, betrunken.

Unter Murren hatten wir Stunden zuvor unser Haus verlassen. Die Pubertistin hatte uns vor die Tür gesetzt, Begründung: Geburtstagsparty, Anwesenheit von Eltern nicht nur verboten, sondern peinlich. Knapp hatten wir ein Rückkehrrecht erwirkt, die Jubilarin hatte allen Ernstes mit uns die Frage diskutiert, ob wir uns nicht ein Hotelzimmer nehmen könnten. Es hakt wohl!

Im Garten wummerte Musik, die Stimmung der Partygemeinde war, nun ja, gedämpft. In der Dunkelheit erkannte ich ein Mädchen, das leise weinend im Schatten des Johannisbeerstrauchs kauerte, ein anderes Girl kraulte stieren Blicks unsere Katze. Im Gartenkorbsessel schlief ein junger Mann, den ich - hätte uns die Pubertistin nicht jede Kontaktaufnahme mit ihren Gästen streng verboten - gern in eine Wolldecke gewickelt und aufs Sofa getragen hätte. Daneben hätte ich dann den Wischeimer gestellt. So besoffen war der. Und so besoffen waren die bei näherem Hinsehen alle. Wie hatte das passieren können?

Das neue Lebensjahr hatte der Pubertistin einen bunt schillernden Personalausweis beschert, der sie berechtigte, Bier für ihre Party zu kaufen. Aber davon war noch jede Menge da, das konnte es also nicht sein.

Am nächsten Morgen - der Nachwuchs schlief seinen Rausch aus - sahen wir, was los war. Unter den Tischen und Bänken fanden wir, neben achtlos in den Rasen gelatschten Kippen, Hochprozentiges, das in seiner Farbigkeit den nagelneuen Perso der Pubertistin weit übertraf: Liköre namens "Grüner Apfel", "Saurer Apfel", fertig gemixte Pina Colada, etwas Orangefarbenes namens "Palmero". Außerdem Wodka, Gin und Korn.

Woher der Stoff?, fragten wir streng, als gegen Nachmittag der letzte Gast gegangen war. Sie zappelte noch ein bisschen, aber dann gab sie zu, mit dem Ausweis ihrer großen Schwester auf Schnapseinkauf gewesen zu sein. Das allerdings fanden wir nun wirklich lustig. Sie können das nicht wissen, aber die Pubertistin und ihre Schwester könnten unterschiedlicher kaum ausschauen. Nicht nur, dass eine blond und die andere dunkel, eine blau- und die andere braunäugig ist, vom deutlichen Größenunterschied ganz zu schweigen. Wirklich lustig fanden wir, dass die Pubertistin zu ihrem großen Leidwesen immer noch eher nach 14 als 16 Jahren aussieht. Die Kassiererin im Supermarkt muss ein schweres Augenleiden gehabt haben, um den Beschiss nicht zu erkennen.

Wenn die Welt bereit ist für derlei dreisten Betrug, hat die Pubertistin eine milde Strafe verdient. Unsere Nachbarn waren ein bisschen entsetzt über den Billigfusel, den wir ihnen beim nächsten Besuch vorsetzten. Aber lustig war der Abend.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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