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Kolumne SchlimmerDer Maik und sein Psyk

Daniel Schulz
Kolumne
von Daniel Schulz

Rechtsextremismus ist ein gesamtdeutsches Problem. Also nicht unser Problem, sagt der Funktionär.

Faschos gibt es überall, auch wenn der Osten der Republik sich gern besonders hervor tut. Bild: dapd

G leich knallt es. Aber vorher noch ein kleines Spiel. Zuerst: „Ach hallo“, freundlich sanft. Dann: „Hast du vielleicht Feuer?“ Und klar, ich weiß, das ist seine kleine Show jetzt, aber ich weiß auch: Fitnessstudio, schnelle Reflexe, drei ins Krankenhaus geprügelt letzte Woche. Also zünde ich ihm die Zigarette an, wir plaudern wie Kumpels und ich suche die Dunkelheit ab. Wo ist der Zweite? Als ich das kurze Ritschen vom Stiefel auf der Straße höre, ist es zu spät. Zwischen den Tritten und diesem Knacken hinterm Ohr denke ich: „Hinter dir, Idiot“ und dann „Aua“, „Scheiße“ und „Arme vors Gesicht“. Ich habe Schiss vorm Bordsteinkick.

Damals in den 90ern, Opa erzählt vom Krieg: Freunde, Cousins, ich – wir waren, so sagten es unsere Bürgermeister und Ministerpräsidenten, diese Einzelfälle, die in Ostdeutschland bedauerlicherweise den Nazis manchmal unangenehm auffielen. Das konnte schon mal vorkommen, Schlägereien gab es früher auf dem Dorf doch auch, und der liebste Satz: Rechtsextreme seien ein gesamtdeutsches Problem.

Musste ich wieder dran denken, als sich letzte Woche Lorenz Caffier, Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, aufregte, weil Hans-Peter Friedrich, Innenminister von Deutschland, gesagt hatte, Ostdeutschland werde von Neonazis unterwandert. Caffier meinte, man dürfe den Rechtsextremismus als Problem nicht auf eine Region reduzieren, also gesamtdeutsches Problem, und das schickte mein Hirn auf eine kleine Zeitreise.

taz
Daniel Schulz

ist Co-Leiter des Ressorts taz2.

Die verkannten Ostdeutschen vor den bösen Westzeitungen beschützen, die ihnen wehtaten mit Geschichten über prügelnde Naziskins und beschmierte Friedhöfe – das wollten unsere Politiker damals, das ließen sie durchblicken. Ein Tritt in die Fresse tut mehr weh als jeder Text, aber ums Beschützen ging es auch gar nicht. Funktionären geht es nur um eines: dass es funktioniert. Oder so aussieht als ob. Gesamtdeutsches Problem heißt: nicht unser Problem. So reden Funktionäre auch in Kirchen, muslimischen Verbänden und Schulen. Vielleicht konnten unsere Eltern so wenigstens ein bisschen mehr glauben, ihre Kinder lebten in einem normalen Land.

„Der Maik und sein Psyk“ hat eine Freundin dieses Paar genannt, das es überall gab – in Rostock wie in Suhl: Der Maik machte auf vernünftig, obwohl wir aussahen wie Untermenschen mit den langen Haaren, aber reden ließe sich ja trotzdem und so weiter und so fort. Der Psyk – also der Psycho, aber das reimt sich nun mal auf keinen Namen – war der Irre, bei dem keiner wusste, ob er wirklich eine Punkerin mit der Axt erschlagen hatte oder ob das nur ein Gerücht war. Kein Gerücht war, dass er mit dem Schlagen nicht aufhören konnte. Sein Maik musste ihn stoppen. Ganze Nazigruppen funktionierten so.

Hoffentlich hat er recht, der Herr Caffier, und diese Typen sind heute allesamt Friedensmenschen, gezähmt von Frauen, Jobangst oder Einsicht. Dann wäre ich einfach nur in der falschen Zeit hängen geblieben, und das wäre allein mein Problem.

Schlimmer: Deutschtürke nimmt Opfer Kolumnenplatz weg. Deniz Yücel kommt wieder.

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Daniel Schulz
Reportage und Recherche
Redakteur im Ressort Reportage und Recherche. Autor von "Wir waren wie Brüder" (Hanser Berlin 2022) und "Ich höre keine Sirenen mehr. Krieg und Alltag in der Ukraine" (Siedler 2023). Reporterpreis 2018, Theodor-Wolff-Preis 2019, Auszeichnung zum Team des Jahres 2019 zusammen mit den besten Kolleg:innen der Welt für die Recherchen zum Hannibal-Komplex.

9 Kommentare

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  • M
    miri

    Schlage vor, Schulz alterniert mit Yücel. -- @die.tipse: Boykottidee Quatsch, Sachsenwald liegt in Westdeutschland.

  • A
    anke

    Schön wär's! Nein, Herr Schulz, es ist keineswegs allein Ihr Problem, wären Sie in der Zeit hängen geblieben an jenem schmerzhaften Tag vor x Jahren. Auch dann nicht, wenn es sich womöglich noch immer so anfühlt. Es wäre unser aller Problem. Wollen Sie wissen wieso? Dann fragen Sie mich! Wie - das werden Sie nicht tun? Ach ja, richtig, Sie reden ja nicht mehr mit jedem.

  • D
    die.tipse

    ich schlage vor, einen gesamtheitlichen besuchs- und warenkauf-boykott gegen alle ostdeutschen güter und orte bis die erwachsenen ihre brut endlich in den griff bekommen - wenn dies nicht aus reiner vernunft und realitätssinn passiert, dann muss eben druck ausgeübt werden, so unschön dies im ersten moment klingen mag. ade schöner sachsenwald, tschüss rügen, ich hoffe, wir sehen uns bald wieder - und dann gern ohne angst im nacken.

  • H
    Hiramas

    Nur eine Bitte?

    Können wir uns mal andere Symbolfotos suchen?

    Die Nazis sind schon lange über Springer hinweg und wenn man dieses Klischee weiter betreibt schiebt man auch die ganze, große, Springerstiefel liebende schwarze Szene die in ihrem großen Teil weit entfernt von rechts ist in Richtung Nazis. Auch Bilder sprechen!

  • DB
    Dieter Boes

    Har har har, in den 80ern war ich links mit konkret abo.

    Dank Zugang zum internet bin ich klüger geworden.

    Diese jungen Burschen haben einfach bessere Instinkte als ich damals hatte!

    Die Roten sind so was von verrottet.

  • T
    TeufelsAdvokat

    FYI: Heiko reimt sich auf Psycho...

  • M
    marverine

    Ich finde es wunderbar, dass die Nazis die mich früher in meiner Kleinstadt gejagt haben jetzt alle schön auf Chrystal sind ... was für eine Genugtuung ... thx liebe Tschechen

  • P
    Peter

    Ha ha, im Sorbischen bedeutet "psyk" Hund. Der Maik und sein (bissiger) Hund, das könnte inhaltlich ebenfalls passen.

  • L
    lobo

    Wie kann man nur solch einen Denkmüll fabrizieren. Manchmal lohnt es sich schon anzuhören, was Ältere aus ihrer Erfahrung sagen, aber das geht dem Psychofreak offenbar ab.