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Kolumne Russia TodayWetterfühlig in Sotschi

Kolumne
von Johannes Kopp

Das Meer, die Wärme, die Unaufgeregtheit: Im Feriendomizil am Schwarzen Meer fällt nicht einmal die Wiederholung besonders auf.

Fans in Sotschi stellen sich bei Regen unter Foto: dpa

E s ist schwer, mit diesem Tempo Schritt zu halten. Jeden Tag laufen drei bis vier Fußballspiele, man kommt kaum hinterher, bei diesem WM-Turnier den Überblick zu behalten. Aber in Sotschi, dem russischen Feriendomizil am Schwarzen Meer, übt man sich in mediterraner Gelassenheit. Warum also beispielsweise nicht ein Spiel vom Vortag noch einmal komplett anschauen, zumal das russische Fernsehen diesen tollen Service zur besten Sendezeit bietet?

Eigentlich wollte ich in der Bar, etwa 200 Meter vom Meer entfernt, wo wie überall in der Umgebung der Geruch gegrillten Fleisches in der Luft hängt, die aktuell laufende Partie zwischen der Schweiz und Serbien verfolgen. Aber gut, das Spiel zwischen Argentinien und Kroatien, das dort auf dem großen Bildschirm zu sehen war, mochte zwar von gestern sein, es war jedoch wirklich großartig. Davon hatte ich mich doch vor Ort im Stadion von Nischni Nowgorod überzeugt. Warum das Spektakel also nicht ein zweites Mal begutachten? Die Leute in Sotschi scheinen echte Fußballnerds zu sein.

Mit der Zeit kamen mir dann doch Zweifel. Ich fragte mich, ob die Menschen, die mit mir in dem von einer niederländischen Brauerei gesponserten Bierzelt saßen, überhaupt wussten, dass sie sich gerade Fußballgeschichte vom Vortag zu Gemüte führten. Möglicherweise wähnten sie sich im Hier und Jetzt. Hätte ich mir zuvor einen Reiseführer von Sotschi besorgt, hätte ich wahrscheinlich schwarz auf weiß nachlesen können, dass die Uhren in dieser so besonderen Stadt anders ticken. So bleibe ich auf meine Spekulationen angewiesen, solange die Wiederholung läuft.

Einer der russischen Gäste war dann aber doch up to date. Auf seine Intervention hin wurde das Programm umgeschaltet – vom Gestern ins Heute. Der Reaktion der anderen Gäste ließ sich jedoch nicht entnehmen, ob sie es für ein Parallelspiel hielten.

Das Meer, die Wärme, die Unaufgeregtheit – all das ist wirklich in Sotschi angenehm. Vermutlich wollte deshalb der deutsche Bundestrainer Joachim Löw unbedingt wieder hierher und das Stammquartier in Sotschi beziehen. Er hat die Stadt bereits im letzten Jahr kennengelernt, wie ja auch viele deutsche Journalisten.

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Hier in Sotschi bekommt man ein gutes Gespür dafür, weshalb die Berichterstattung über das dann wirklich bezogene deutsche Quartier in Watutinki so negativ – man kann auch sagen: so wetterfühlig – ausfiel. Doch die Wehmut dürfte spät in der Nacht auf Sonntag ein wenig verflogen sein. Ein Wolkenbruch ergoss sich über die Stadt. Die Straßen verwandelten sich in kleine Flüsse. Und die Menschen, die nach dem Stadionbesuch wohl oder übel die Busse verlassen mussten, rannten hektisch nach Obdach suchend umher. Sotschi kann auch anders.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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