Kolumne Rote Erde: Höllenfahrt im ÖPNV
Der öffentliche Bus ist außer Betrieb, also steige ich mit 16 anderen Menschen in einen Minivan und werde behandelt wie ein ganz gewöhnlicher Fahrgast.
U nd dann habe ich doch einmal alles falsch gemacht. Ich war allein unterwegs in einer Gegend, in der ich mich nicht auskenne, und dunkel war es auch schon eine Weile. So soll man sich nicht durch die Städte bewegen. Das steht auch in den Fan Guides, die jedem WM-Touristen in die Hand gedrückt werden. Und ich mache das!
Noch dazu durchschritt ich einen nicht gerade gut beleuchteten Tunnel. Ein Mann mit Security-Weste hatte mich da reingeschickt. Ich wollte einfach so in meine Unterkunft fahren, wie ich am Vormittag nach Soccer City gekommen war - mit dem Schnellbus, dem "Bus Rapid Transport" (BRT), das die Stadt Johannesburg als Weltklassenahverkehrsmittel bezeichnet.
Die Hinfahrt zum Stadion war wirklich komfortabel. Für den Bus sind eigene Spuren reserviert, so dass er sich nicht in die Johannesburger Staus einreihen muss. Genauso komfortabel wollte ich zurückfahren. Der Mann mit der Security-Weste schüttelte den Kopf, als ich ihn nach dem Weg zur nächsten BRT-Haltestelle fragte. Dann zeigte ich meine Rückfahrkarte. Das schien ihn zu rühren. Er schickte mich in den Tunnel.
Andreas Rüttenauer ist Sportredakteur der taz und berichtet aus Südafrika.
Es war der richtige Weg. Nach 100 dunklen Metern allein unter der Erde bin ich an der Haltestelle angekommen. Die war verriegelt. Keiner war da, dem ich meine Rückfahrkarte hätte zeigen können. Doch ich war nicht der Einzige, der sich darüber ärgerte, dass der BRT außer Betrieb war. Ein Häuflein stinksaurer Johannesburger mit Rückfahrkarte schimpfte über das Schnellbussystem, die Stadtverwaltung und die Regierung. Es war 8 Uhr abends.
Dann setzte sich die kleine Menge in Bewegung, lief auf die dunkle Straße. Ein Kleinbus hielt an und kurz darauf saß ich mit 16 anderen Menschen in einem Minivan, der in Deutschland vielleicht für neun Personen zugelassen werden würde, und wusste erst mal nicht, wohin ich gefahren wurde.
Obwohl ich mein Fifa-Lätzchen mit der Akkreditierung um den Hals hängen hatte, wollte sich niemand im Bus für mich interessieren. Fast ärgerte mich das. Da war keiner, der mich gefragt hätte, woher ich komme, was ich bei der WM mache und wie ich Südafrika finde. Stattdessen wurde ich behandelt wie ein ganz gewöhnlicher Fahrgast - und als solcher irgendwo in der Innenstadt wieder aus dem Bus entlassen.
Weil ich nicht noch einmal allein durch die Dunkelheit gehen wollte, habe ich einen Mann angesprochen, ihm gesagt, woher ich komme, was ich bei der WM mache und dass ich Südafrika ganz toll finde. Er hat mir geduldig zugehört und mich so lange begleitet, bis ich in einem Taxi saß, das mich zu meiner Unterkunft fuhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen