Kolumne Right Trash: Hitlergruß vor Blümchentapete
Pudelmütze mit Hakenkreuz gefällig? Wie ein rechter Blog zwischen Naturbildern und viel nackter Blondheit Nazisymbole versteckt.
E s ist Frühling, die Krokusse blühen und die Vögel zwitschern. Fühlen Sie sich auch etwas wabbelig nach dem langen Winter? Auf der Tumblrseite „Germania Fitness“ (um nicht auf rechten Shit zu verweisen führt der Link auf ein Webarchiv) könnten sie sich zu etwas mehr Sportlichkeit inspirieren lassen. Hier finden sich Hochglanzbilder von durchtrainierten Frauen im Sportdress, vorzugsweise blond, und in allen erdenklichen Posen.
Auch gesunde Ernährung scheint ein wichtiges Thema auf dem Blog zu sein, er präsentiert lecker angerichtete Müslis und dekorativ in Szene gesetzte Teller mit rohem Gemüse. Viel nackte Haut ist zu entdecken, häufig auch mit Tattoos bedeckt, Schönheit zeigt sich von ihrer wilden und rauen Seite.
Genauer hingeschaut, zeigt sich zwischen den alltäglichen Schnörkeln und Bildchen auf der Haut auch mal eine schwarze Sonne. Es ist ein Symbol der Rechtsextremen, das aus drei übereinander gelegten Hakenkreuzen besteht.
„Red is bad“
Scrollt man weiter durch den glossy Fotodschungel, vorbei an putzigen Tierbabys, röhrenden Hirschen in dunklen Wäldern, blumengeschmückten Geweihen und antiken Statuen, die nackte Helden in kämpferischer Pose zeigen, stößt man immer wieder auf interessante politische Statements: Red is bad, lautet ein Schriftzug auf einer Bettdecke, daneben Hammer und Sichel, das Symbol für Kommunismus, ist durchgestrichen.
Wenig später stolpert man über eine Pudelmütze, die ein Hakenkreuz zeigt (Archivlink, nach rechts scrollen) und schon landet man bei der Nazi-Starpilotin Hanna Reitsch, die den Hitlergruß zeigt (Archivlink, nach rechts scrollen). „Stärke durch Disziplin“ lautet das Motto des Blogs. Dem inneren Schweinehund hält er Slogans wie „It's a tough journey, but getting there is worth it“ und „Wenn du heute aufgibst, wirst du nie wissen, ob du es morgen geschafft hast“ entgegen. Neoliberaler Fitness- und Leistungswahn erhält hier einen ganz neuen Kontext.
Wie lebt es sich in der rechten Filterblase, wenn Medien pauschal als "Lügenpresse" diffamiert werden und nur noch die Fakten zählen, die ins eigene Weltbild passen? Das fragt sich ein Team von taz-AutorInnen. Wir lesen mit, schreiben zurück oder beobachten einfach nur. Right Trash – seit Februar regelmäßig auf taz.de.
Fräulein Hess, die Inhaberin des Blogs, meint es nicht nur mit ihrer Namensgebung ernst (Rudolf Hess ist wohl die naheliegendste Quelle dafür), sondern auch mit der Verbreitung ihrer Weltsicht. Mögen noch so viele weiß gewandete Ballerinas über die Seite trippeln und romantisch geschmückte Betten zum Kscheln und Schlummern einladen, während drohende Berggipfel dafür sorgen, dass man sich ganz klein im Angesicht der überwältigenden Natur fühlt – der Dame ist es ernst.
Rechtsextreme Frauen sind nicht nur brave Mütter, die für Haus, Herd und Kind sorgen. Sie sind Anhängerinnen einer Ideologie, die einen andauernden Krisen- und Kampfzustand gegen die Feinde der „Volksgemeinschaft“ suggeriert und verlangt, dass auch Frauen sich zur Wehr setzen können müssen. „Kameradschaft Unterfranken …Gegen den Volkstod. Wehre dich!“, propagiert ein düster inszeniertes Foto des Blogs.
Ihre rechtsextreme Einstellung wird häufig übersehen, weil Frauen immer noch als friedfertig gelten und die Gesellschaft ihnen keine menschenverachtende, gewalttätige Haltung zutraut. „Kampf bleibt der Vater aller Dinge“, heißt es auf einem T-Shirt, das ein glatzköpfiger Herr mit Stiernacken und Muskelbergen auf einem Foto des Blogs präsentiert. Das ist das Nazi-Klischee, das viele im Kopf haben.
Fräulein Hess meint es ernst
Die Frau, die auf dem Foto neben ihm grimmig blickend ihre dicken Boxhandschuhe in die Kamera hält, ist aber nicht weniger Realität. Dass der Kampf, um den es geht, nicht nur im Sportstudio ausgefochten wird, zeigt ein Foto der Marke White Rex, die eine Axt mit der Überschrift „Survival of the fittest“ anpreist.
Es gab vor einiger Zeit schon einmal einen Tumblr-Blog, der den Namen Fräulein Hess trug und eine sehr ähnliche Bildersammlung zur Schau stellte. Besucht man ihn heute, findet man keine Fotos, sondern nur einen Hinweis, der die Besitzerin als Fiona Maria Schröder outet.
Auch die neurechte Gruppe der Identitären macht sich weibliche Klischees strategisch zu Nutze: Sie empfiehlt ihren Anhänger_innen auf Fotos von ihren Aktionen junge Frauen in Szene zu setzen, weil ihre „positive Ausstrahlung“ mehr Zuneigung hervorrufen würde. Das funktioniert natürlich nur, solange sie nicht Äxte der Marke White Rex schwingen, aber die Rollen rechtsextremer Frauen sind wandelbar. Sie treten als Mütter genauso wie als Kader oder Rechtsterroristin à la Beate Zschäpe auf.
Fräulein Hess ist laut dem linken Szeneportal indymedia eine gut vernetzte, rechtsextreme Aktivistin, die Kontakte zur NPD und einer Kameradschaft pflegt. Trotz der Veröffentlichung scheint sich ihre Werbestrategie gehalten zu haben: Das bisschen Nazi zwischen all den schönen Bildern fällt kaum auf.
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