Kolumne Press-Schlag: Viele Töpfe verderben den Sport

Die Auslosung zu einer Fußball-EM ist so durchreguliert wie möglich. So haben die reichen Verbände maximale Planungssicherheit.

Männer in Anzügen stehen bei der Auslosung zur Fußball-EM 2016 vor Lostöpfen

Six pots, four men, one cup.

Die Auslosung zu einer Fußball-Europameisterschaft ist immer die Einladung zum sofortigen Drauflosschwafeln. Ukraine? Ganz schwer! Nordirland? Auf keinen Fall unterschätzen! Polen? „Das ist unser Spiel. Das lassen wir uns von niemanden nehmen! Schon gar nicht von Polen.“ (J. Klinsmann) So etwa lassen sich die, nennen wir es: Fachkommentare zur sogenannten „deutschen Gruppe“ bei der EM 2016 zusammenfassen, die am Samstagabend in Paris ausgelost wurde.

Wenn es das Gestammel von Fans nicht gäbe, es bräuchte keine als schlechte Fernsehshow inszenierte Auslosungszeremonie, bei der füllig gewordene Exfußballer vor auf Hochglanz gerubbelten Salatschüsseln stehen und an umfunktionierten Ü-Ei-Kapseln herumpitteln. Aus denen fingern sie dann Zettel heraus, deren Bedeutung so aufgeblasen wird, als entstammten sie chinesischen Glückskeksen.

Tun sie aber nicht: Statt Lebensweisheiten stehen da immer so Wörter wie „Ukraine“ oder „Nordirland“. In den vergangenen Jahrzehnten – genauer: seit die Europa- und Weltmeisterschaften zu jeden nachvollziehbaren Rahmen sprengenden Megaereignissen geworden sind – haben die großen Fußballnationen mit viel verbandsfunktionärischem Sachverstand dafür gesorgt, dass für simple Auslosungen immer mehr Glaspötte gebraucht werden.

Wie selbstverständlich nimmt die Fußballöffentlichkeit hin, dass die Auswahlteams von Deutschland, Spanien oder Frankreich als „gesetzt“ gelten, damit diese, wie es vermeintlich argumentativ heißt, „nicht zu früh aufeinandertreffen“. Warum diese Regelung im Sinne des Sports sein sollte, der doch ganz grundsätzlich von der Idee lebt, dass jeder jeden schlagen kann, hat noch niemand je zu begründen vermocht. Der Grund für die faktische Abschaffung einer Auslosung liegt ja auch woanders: nämlich im nationalen und ökonomischen Interesse der großen Fußballnationen.

Die Show von Paris, die wichtigtuerisch als „kompliziertes Auslosungsverfahren“ verkauft wird, gehorcht dem gleichen unsportlichen Prinzip, nach dem die Uefa ihre Champions League zusammengebastelt hat. Da dürfen Mannschaften teilnehmen, die noch nie in ihrer Vereinsgeschichte nationaler Champion waren und deren einzige Qualifikation darin besteht, in der Liga einer großen Fußballnation beheimatet zu sein.

Risikominimierung und Profitoptimierung

Hier wirkt – leider – dieses Prinzip: Nicht sportlicher Erfolg oder sportliche Leistung werden honoriert, sondern die ökonomische Potenz, also zu erwartende Einschaltquoten und andere Formen der Nachfrage. Wer wirtschaftlich besonders stark da steht, organisiert sich den Wettbewerb so, dass er möglichst keinem unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt ist, zu früh auszuscheiden.

A: Frankreich, Rumänien, Albanien, Schweiz

B: England, Russland, Wales, Slowakei

C: Deutschland, Ukraine, Polen, Nordirland

D: Spanien, Tschechien, Türkei, Kroatien

E: Belgien, Italien, Irland, Schweden

F: Portugal, Island, Österreich, Ungarn

Das klappt oft, aber nicht immer, es gibt zum Glück doch immer noch kleine oder größere Freuden: Das Fehlen der Niederlande etwa zeigt, dass der Fußball immer noch ein Spiel mit offenem Ausgang ist. Einerseits versuchen gewiefte Funktionäre der großen Verbände also, die sportliche Konkurrenz soweit auszuschalten, dass sie möglichst freie Fahrt bis ins Finale haben. Andererseits wehrt sich dagegen der Sport, der jedem seine Chance belässt.

Und bekanntlich ist die Ukraine ganz schwer, Nordirland auf keinen Fall zu unterschätzen, und die Polen wollen uns unser Spiel nehmen.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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