Kolumne Press-Schlag: Erstaunliche Eindeutigkeit
Theo Zwanziger wirkt wie ein Verzweifelter, der nach Liebe schreit. Sein Fall in den vergangenen Monaten war tief. Doch es gibt keine echten Alternativen.
B oulevardkomödie geht so: Tür auf, Tür zu, und wenn die Tür wieder aufgeht, kommen dieselben Leute rein, die vorher durch die andere Tür rausgegangen waren. Die hohe Kunst der Boulevardkomödie ist es, das dann noch wie eine Überraschung aussehen zu lassen. So gesehen war das Stück, das am Dienstag in Frankfurt aufgeführt wurde, eine ziemlich gute Boulevardkomödie.
Diente die Pressekonferenz doch offiziell zur Verkündigung des Unvermeidlichen. Denn Theo Zwanziger hatte nicht wirklich eine Wahl, er musste Joachim Löw und Oliver Bierhoff weiter beschäftigen. So wollte es die öffentliche und die veröffentlichte Meinung in erstaunlicher Eindeutigkeit, so wollte es die Mehrheit im eigenen Verband, so wollte es sogar der deutsche Klub-Fußball, der sich sonst gern in Interessenkonflikten mit der Nationalmannschaft sieht. Kurz gesagt: Wäre die Vertragsverlängerung nicht zustande gekommen, hätte der DFB-Präsident auch gleich seinen Rücktritt einreichen können.
Löw zu halten, das war Zwanzigers einzige Chance. Dafür musste er die Kröte Bierhoff schlucken. Dafür muss er nun sogar einen neuen Posten finden für den von ihm bereits vor Monaten geschassten Pressesprecher Harald Stenger. Klebt Zwanziger tatsächlich so an seinem Amt? Schon die Medientaktik der letzten Wochen, in denen kaum ein Tag verging, an dem der Präsident über einen seiner wenigen verbliebenen Verbündeten, die Bild-Zeitung, nicht wieder eine kleine, beleidigte Rücktrittsdrohung verbreiten ließ, wurde zwar als akuter Fall von Amtsmüdigkeit interpretiert, wirkte tatsächlich eher wie ein verzweifelter Schrei nach Liebe.
Thomas Winkler ist Autor der taz.
Die wird schon eine Weile nicht mehr erwidert. Nicht von Joachim Löw auf dem Podium nach dem Spiel um den dritten WM-Platz, als der Bundestrainer die Umarmung seines Vorgesetzten sichtlich distanziert ertrug. Nicht von der Öffentlichkeit, die neuerdings selbst den bis dato ungeliebten Bierhoff in ihr Herz geschlossen hat. Erstaunlich, wie untreu so eine Öffentlichkeit sein kann.
Es ist noch gar nicht lange her, da war Zwanziger so beliebt, er hätte nicht nur DFB-Präsidentschaft auf Lebenszeit beantragen können, sondern hätte gute Chancen gehabt, ins Schloss Bellevue einzuziehen. Er war - vor allem auch im Vergleich zu seinem peinlichen Vorgänger Gerhard Mayer-Vorfelder - der milde Vater des größten Einzelsportverbandes der Welt, der leidenschaftliche Förderer des Frauenfußballs, er versöhnte Profis und Amateure und nahm die gesellschaftliche Verantwortung des DFB ernst, machte der Politik vor, wie man erfolgreich Migranten integriert.
Dann kam der Kleinkrieg mit dem Journalisten Jens Weinreich. Dann kam der Schiedsrichter-Skandal. Dann kam die gescheiterte Vertragsverlängerung mit Löw. Es kamen Kommunikationspannen und Dünnhäutigkeit, ein erstaunlich unsouveräner Umgang mit den Problemen und eine nie erwartete Selbstherrlichkeit. Schon erstaunlich, wie schnell sich ein Image grundsätzlich wandeln kann in der Mediengesellschaft.
Diese Medien kolportieren bereits Alternativen für die DFB-Präsidentschaft. Die aber sind eigentlich keine: Franz Beckenbauer zieht sich lange schon aus operativen Aufgaben zurück. Uli Hoeneß ist in einem von Amateuren dominierten Verband nicht vermittelbar. Wolfgang Niersbach, als DFB-Generalsekretär eigentlich der logische Nachfolger, hat sich während der im Februar gescheiterten Vertragsverhandlungen mit Löw sogar noch unbeliebter gemacht als Zwanziger. Aber wie das so ist in Boulevard-Komödien: Manchmal geht eine Tür auf und draußen steht plötzlich doch jemand, den niemand erwartet hat.
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